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A. Kirschmann.
I. Die Raumanschauung im Allgmeinen betreffend:
1) Der allseitig ausgedehnte Raum ist zwar quantitativ unendlich
theilbar, qualitativ aber absolut einfach und unzerlegbar. Er
* ist die Bedingung aller speciellen Raumvorstellungen.
2) Es gibt keine andere Ausdehnung als den Raum. Alles, was aus¬
gedehnt ist, ist allseitig ausgedehnt. Die für einseitig oder mehr¬
seitig ausgedehnt ausgegehenen »Gebilde«' wie Linie, Ebene, Fläche,
sind nur im allseitig ausgedehnten Raume denkbar, und
zwar als Grenzen von Raumtheilen. Wenn man bei der Vor¬
stellung allseitig ausgedehnter Raumtheile die Aufmerksamkeit
vornehmlich auf die Grenzen richtet, so entsteht die Vorstellung
der Fläche, der Linie, des Punktes. Es ist nicht wahr, dass man
sich Flächen, Linien oder Punkte unter vollständiger Abstraction
von dem allseitig ausgedehnten Raume vorstellen oder denken könne.
3) Der Punkt ist nicht das Raumelement. Wie der allseitig
ausgedehnte unendliche Raum qualitativ einfach und quantitativ
complex ist, so ist umgekehrt der Punkt, d. i. die vollkommenste
Ortsbestimmung im Raum, quantitativ zwar einfach, aber quali¬
tativ complex.
Da der Raum unendlich theilbar ist, so kann er keine letzten
Elemente besitzen. Jeder, auch noch so kleine Raumtheil ist all¬
seitig ausgedehnt. Die Raumgrenzen Fläche, Linie, Punkt, sind
unter einander und von dem allseitig ausgedehnten Raume quali¬
tativ verschieden. Jede Richtung im Raum ist von jeder andern
Richtung in einer Art verschieden, welche durch reine Größen
begriffe nicht ausgedrückt werden kann.
Die Ausdrücke Linien- und Flächen-Element, Punktreihe,
Punktmenge u. s. w. Sind aus der Verkennung der qualitativen
Eigenschaften des Räumlichen hervorgegangene Scheinbegriffe.
4) Die Ausdehnung i^jsran und für sich nicht Größe; sie wird es
erst dadurch, dass auf Grund der Aenderung, die wir Bewegung
nennen, die Intensitätsvergleichung auf sie angewendet wird.
Es gibt keine anderen als intensive Größen. Auch der
Raum, die Extension, ist als Größe intensiv (gemessen durch die
Intensität von gewissen Empfindungen). Alles Messen ist daher
in letzter Instanz ein Messen intensiver Größen.