230
Willy Hellpach.
sich dabei eben um gar keine Permanenz, sondern nur um eine
außergewöhnliche Leichtigkeit, mit der bestimmte Empfindungen
unter die Schwelle des Bewusstseins sinken, wenn sie appercipirt
werden sollen.
Diese psychologische Auffassung wird durch die mit ihr anschei¬
nend recht schwer zu vereinbarenden Regelmäßigkeiten in der Ausdeh¬
nung mancher Anästhesien geradezu gestützt. Die Gürtel-, Strumpf-,
Aermelform, die halbseitige Anästhesie werden nur verständlich, wenn
wir das psychologische Band bedenken, das jene umschriebenen Be¬
zirke einander ähnlich macht. Es ist eine Aehnlichkeit der qualita¬
tiven Färbung, die uns zwei Körperstellen als linksseitig, oder als
symmetrisch localisiren lässt. In einer Reihe von Fällen scheinen
danach alle durch jene Aehnlichkeit ausgezeichneten Empfindungen
der eigenartigen apperceptiven Auslöschung unterworfen zu sein; wir
können den Satz auch so aussprechen, dass in der Hysterie die
apperceptive Auslöschung von Empfindungen mit einer ge¬
wissen Vorliebe als die Function eines Localzeichens oder
einer Localzeichengruppe auftrete, und dass diese Tendenz
symptomatisch in der Häufigkeit der umschriebenen, der symmetri¬
schen, der halbseitigen Anästhesien ihren Ausdruck finde. Die
Pathologie der Hysterie wird natürlich bestrebt sein, die physiolo¬
gischen Substrate der apperceptiven Auslöschung wie ihres Gehunden¬
seins an Localzeichengruppen zu ermitteln. Denn das ist keine
psychologische Aufgabe mehr; unser inneres Erleben bietet keine
Lösung für die Frage, woher die qualitativen Differenzen und Aehn-
lichkeiten stammen, die wir als Localzeichen benennen, sondern diese
Qualitäten sind die letzten Thatsachen, die wir in uns selber vor¬
finden. Halten wir uns an den modernen Standpunkt, dass min¬
destens diesen elementarsten psychischen Vorgängen, sofern sie ver¬
schieden voneinander sind, auch verschiedene Substrate zugehören,
stellen wir uns also auf den Boden des Princips von der Localisation
der Functionen, innerhalb jener Denkmöglichkeitsbreite freilich, die
sich von seiner Auffassung durch Wundt his zu seiner Auslegung
durch Hering erstreckt, und unter Ablehnung aller über die psy¬
chischen Elementarprocesse hinausgreifenden Localisationspliantasien
— so werden wir der Physiologie des kranken Nervensystems die
Mühe zuweisen müssen, uns darüber aufzuklären, welche Alterationen