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Willy Hellpach.
andern, bei denen auch die Prüfung keine irgendwie geartete Stere-
agnosie nachzuweisen vermag. Daraus geht hervor, dass die Du-
chenne’sche Stereagnosie erst eintritt, wenn die Apperception sich
den stereognostischen Aufgaben zuwendet, dass die anscheinend cen-
tripetale Störung eine apperceptive, eine im Machtbereich des Wollens
sich vollziehende Veränderung bedeutet, dass die unsere räumlichen
Tastvorstellungen constituirenden Empfindungen in dem Augenblicke
erlöschen, wo sie appercipirt werden sollen: die Kranken fühlen, so¬
lange sie nicht fühlen wollen.
Es scheint mir nicht ausgeschlossen zu sein, dass auf diesen Um¬
stand eine psychologische Oomponente der kataleptischen Erscheinungen
sich gründet. Ich bin weit entfernt davon, Phantasien nachzujagen,
und gebe ohne weiteres zu, dass die Katalepsie, das Verharren der
Glieder in den erzwungensten Stellungen, noch zu wenig untersucht
ist, um in ihren Ursachen aufgeklärt zu werden. Die kataleptischen
Leistungen sind ja erstaunliche und gehen weit über das hinaus, was
wir am normalen Organismus selbst bei höchster Kräfteanspannung
erleben. Dieses Maß, vereint mit der mehr oder minder deutlich
ausgeprägten wächsernen Biegsamkeit der kataleptischen Glieder, legt
es außerordentlich nahe, an physiologische Alterationen zu denken,
die unbeeinflusst von den psychischen Erlebnissen wirken. Ander¬
seits machen aber die aus der Hypnose geschöpften Erfahrungen es
wahrscheinlich, dass die Katalepsie, wenigstens bis zu einem gewissen
Grade, eine psychisch bedingte, eine Willensstörung sei. Wir finden
ja bei den Hypnotisirten, bei Hysterischen, bei Katatonischen kata-
leptische Erscheinungen, denen eine verhältnissmäßig enge Grenze
gesteckt zu sein scheint: der erhobene Arm fängt nach einiger Zeit
an zu zittern und sinkt herab. Hier wird also die kataleptische
Leistung durch die eintretende Ermüdung beendet. In diesen Fällen
möchte ich annehmen, dass das außergewöhnliche Maß dieser Leistung
ermöglicht wird durch eine hochgradige Herabsetzung der Müdigkeits¬
empfindungen in den beanspruchten Muskelgruppen eben mittels jener
apperceptiven Auslöschung der centripetalen Erregungen, die wir für
die Deutung der Duchenne’chen Stereagnosie in Betracht zogen.
Da die Katalepsie in diesen Fällen ein Theil des als Befehlsauto-
matie bezeichneten Zustandes, also einer ganz zweifellosen Willens¬
alteration ist, so würde zu der voluntaristischen Auffassung von der