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Willy Hellpach.
lichen Leistung derart heftige Affecte auslöst, ist also rein psycho¬
logisch durchaus nicht ungewöhnlich, und krankhaft erscheint heim
Agoraphohen nur die Harmlosigkeit der Vorstellung, die solche Er¬
regungen mit sich führt; das gilt nicht bloß von der Agoraphobie,
sondern von der ganzen unerschöpflichen Gruppe der anderen Zwangs¬
vorstellungen in gleicher Weise. Darum ist aber auch eine
Zwangsvorstellung niemals eine Suggestion. Löwenfeld
rechnet ganz fälschlicher Weise die Zwangsvorstellungen zu den
»Autosuggestionen«, und um die Verwirrung der Begriffe voll zu
machen, erklärt er die Entstehung von Zwangsvorstellungen mit dem
Auftauchen von Vorstellungen unterm Drucke starker Gemüths-
erregung; ja er übersetzt, damit der Humor nicht fehle, zu allem
Ueberfluss diesen Strudel auch noch ins — Physiologische. Das Eigen¬
tümliche jeder Suggestion, folglich auch der Autosuggestion ist es
aber, dass sie nicht durch Vermittelung eines ihr proportionalen
Affectes, und nicht durch die Erweckung logischer Erwägungen,
sondern anscheinend ohne beides psychogene Erscheinungen hervor¬
ruft. Wie eine an sich harmlose Vorstellung freilich dazu gelangt,
Zwangscharakter anzunehmen, das zu beantworten ist nicht Sache
der Psychologie, sondern der Physiologie. Im ganzen Ablaufe einer
Zwangshandlung oder eines Zwangserlehnisses ist psychologisch nichts
Außergewöhnliches; und wenn Ereud’s Entdeckung, dass eine Vor¬
stellung durch Verknüpfung mit einem disponiblen Affecte zwangs¬
artig werde, von Löwenfeld besonders erwähnt wird, so muss man
doch entgegnen, dass dieses Ereigniss — die Verknüpfung einer Vor¬
stellung mit einem disponiblen Affecte — hei Gesunden tagtäglich
sich wiederholt, ohne auch nur eine einzige Zwangsvorstellung zu
erzeugen. Das Pathologische der Zwangsvorstellungen kann
psychologisch auf keine Weise erklärt werden. Eine Zeit,
der die physiologische Ursache der neurasthenischen Entartung wie
der Erschöpfungsnervosität bekannt sein wird, mag auch darüber
einmal ins Klare kommen, warum auf der Basis dieser beiden Er¬
krankungen vorzüglich Zwangsvorstellungen sich bilden; heute wissen
wir davon noch nichts.
Von der Legion der hypochondrischen Ideen, die ja ebenfalls
der neurasthenischen Entartung und der heilbaren Erschöpfungs¬
nervosität eignen, gilt das Nämliche. Wir haben hei ihnen, psycho-