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Willy Hellpach.
der Begriff der Suggestion überhaupt einen Werth für die Discussion
krankhafter Erscheinungen haben kann. Auch Hirschlaff hat für
eine solche Einengung plaidirt, ihr allerdings eine von Löwenfeld
mit Unrecht als zu eng bezeichnete, in Wahrheit ganz verfehlte
Fassung gegeben: nach ihr soll es sich um eine Suggestion handeln,
wenn eine in ihrem Inhalte der Wirklichkeit nicht entsprechende
Vorstellung von einem Menschen realisirt wird. Darauf kommt es
indessen gar nicht an. Nicht die Unwirklichkeit, sondern die, wie
ich es nennen möchte, complette Zwecklosigkeit einer Handlung
deutet darauf hin, dass sie suggerirt sei. Tanzen ist sicherlich eine
logisch zwecklose Sache; aber es ist der Ausdruck einer gehobenen
Stimmung, und insofern gefühlsmäßig zweckvoll. Dieser partiellen
Zwecklosigkeit unzähliger Handlungen in jedes gesunden Menschen
Dasein steht die complette Zwecklosigkeit der suggerirten Handlung
gegenüber. Diese ist also gar keine Handlung im psychologischen
Sinne, sie ist ein passives Erlebniss, über dessen Eintritt der Sugge-
rirte selber gar keine Kechenschaft zu geben weiß — ein psychogener
Vorgang. In dieser Schlussfolgerung, welche die hysterischen Er¬
scheinungen mit den durch hypnotische oder einfache Eingehung
entstandenen psychologisch völlig gleichstellt, stimme ich Moebius
unbedingt zu, so schroff ich freilich zur Deutung der psychogenen
Thatsachen beider Gruppen den Weg durchs Unbewusste einzuschlagen
ahlehne; ich bekenne mich auch ebenso unbedingt zu der praktischen
Consequenz, die v. Strümpell für den Nervenarzt aus jener Gleich¬
stellung zieht: dass einen Hysterischen mit hypnotischer Eingebung
behandeln weiter nichts heißt, als ihn noch hysterischer machen.
Wird man sich über das Charakteristische der Suggestion in dieser
Weise klar, so ist eine psychologische Vermengung von hysterischen
und neurasthenischen Erscheinungen ganz unmöglich. Löwenfeld
gebraucht noch das tolle Wort: » Hy st ero-N eurasthenie «. Und doch
sollte man meinen, dass jene classische Differentialabhandlung von
Moebius, aus der nur der Unhewusstheitssatz hier zurückgewiesen
werden musste, ein für allemal den Unterschied zwischen den körper¬
lichen, namentlich den motorischen Vorgängen bei Hysterischen und
denjenigen hei Hypochondern klargelegt hätte. Jene Studie knüpft
an zwei Erscheinungen an, die dem Unkundigen — auch viele Aerzte
zählen dahin — als völlig gleiche ins Auge stechen können, zumal