[Psychologie und Nervenheilkunde.
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baren psychophysischen Wechselwirkung, oder eines erkenntniss-
theoretischen Monismus im Sinne Wundt’s entschieden werden —
an der schlichten Thatsache jenes Zusammenhanges ist nicht zu
rütteln, und wenn wir sie in dem Functionsgleichniss zum Ausdruck
bringen, so kann keine der umstrittenen philosophischen Meinungen
sich begünstigt, keine sich zurückgesetzt fühlen.
Allerdings braucht diesem negativen Vorzug noch kein positiver,
der Unanstößigkeit des Functionsbegriffes noch nicht seine Frucht¬
barkeit für das pathologische Forschen zu entsprechen. In der That
begegnet seine Anwendung gerade innerhalb des neuropathologischen
Gedankenkreises nicht unerhehlichen Schwierigkeiten. Sie müssen
dem Nervenarzt sich um so stärker auf drängen, je entschiedener seine
Wissenschaft neuerdings auf ihrem Entwicklungspfade in den Bereich
jenes Schlagschattens geräth, den die Psychiatrie auf das medicinische
Denken wirft. Nach der Seite der inneren Medicin hin sind ja die
Beziehungen der Nervenheilkunde dauernde und durchaus erfreuliche
geblieben. Zwar hat es durchaus nicht an Streitfragen gefehlt,
welche die Erkrankungen des Rückenmarks, des Gehirns, auch des
peripheren Nervensystems aufwirbelten; aber seihst so verwickelte,
so tief ins Psychische hineinreichende Störungen, wie die Ataxie, die
Aphasie, die Individualisirung apoplektischer Lähmungen — um nur
drei herauszugreifen — sind von Klinikern, die das Riesengehiet der
gesammten inneren Medicin zu verwerthen hatten, in durchaus muster¬
gültiger Analyse der einzelnen Erscheinung, in vielfach geistreicher
und doch meist wohlüberlegter, kühler Interpretation unserem Ver-
ständniss um ein gutes Stück näher gerückt worden. Desto schlim¬
mere Verwirrung aber ist auf der anderen Seite eingerissen, wo die
Nervenheilkunde der Wissenschaft von den Geistesstörungen die Hand
reicht. Lange genug hatte die theologische Auffassung des Irreseins
die Verbindung der Psychiatrie mit der übrigen Medicin verhindert.
Als dann dieses Vorurtheil gebrochen war, und man in der Dementia
paralytica sogleich ein klassisches Krankheitsbild vor sich hatte, das
schwere nervöse mit schweren psychischen Symptomen vereinigte, da
wurde das wissenschaftliche Zusammenarbeiten beider Disciplinen
einfach zur Thatsache, zur Nothwendigkeit. Die endgültige Ver¬
wischung der Grenzen knüpft sich freilich erst an die Namen Charcot
und Beard. Mit dem umfassenden Studium der Hysterie, der
Wundt, Philos. Studien. XIX. 13