Volltext: Psychologie und Nervenheilkunde (19)

Psychologie und Nervenheilkunde. 
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dem wir vorhin begegneten, jene Illusion der psychomotorischen Acti¬ 
vât oder, vulgär zu reden, der Willensfreiheit, ist eine Thatsache, 
die hei jedem Kampf der Motive an den Sieg des einen Motivs, die 
Entscheidung, sich knüpft, und erweist sich als ein eigenthümliches 
Gefühl der Thätigkeit, das wir wohl in der Richtung der lösenden 
Gefühle zu suchen haben. In unserem früher angezogenen Beispiel 
wirkten also der Anblick des Wagens, die Furcht getödtet zu werden 
und die Erwägung, dieser Gefahr nur durch rasches Ausweichen ent¬ 
gehen zu können, motivirend für das Beiseitespringen. Denn die Er¬ 
wägung ist zweifellos vorhanden, mag sie auch auf einen Augenblick 
sich zusammendrängen. Ein Kind bleibt vielleicht müßig stehen, weil 
es die Gefahr nicht kennt, und der Erwachsene wird die Schnellig¬ 
keit seines Ausweichens je nach dem heraneilenden Gefährt abmessen : 
eine Droschke dürfte sein Tempo erheblich mäßigen, und einem 
trabenden Reiter würde er vielleicht überhaupt nicht Platz machen, 
indem über die anfängliche Vorstellung, überritten zu werden, die 
andere siegt, dass auf dieser Straße das Reiten unstatthaft und der 
Reiter zum Ausweichen verpflichtet sei. Die Hilflosigkeit des Klein¬ 
städters beim Ueberschreiten eines verkehrsreichen Platzes in der 
Großstadt beruht ja gerade auf der Langsamkeit, mit der diese Ent¬ 
schlüsse reifen, weil die Erfahrung fehlt, die den Vorstellungen 
ein bestimmtes Maß motivirender Kraft verleiht. Diese Kraft 
liegt, wie wir wissen, in dem Gefühlswerth, der den einzelnen Vor¬ 
stellungen innewohnt: die Furcht zu verunglücken ist zunächst 
überwältigend stark gegenüber dem Wunsche, hinüber zu gelangen, 
und der Sorge, durch Zögern sich lächerlich zu machen; erst die 
Erfahrung mäßigt jene Furcht so weit, dass sie nach und nach mit 
den beiden anderen Gefühlserlebnissen in einen echten Widerstreit 
treten und ein Kampf der Motive sich vollziehen kann. Dieser Kampf 
drängt sich zeitlich dann immer enger zusammen, aber er besteht 
fort, desto deutlicher, je stärkere Gefühlsgegensätze die Persönlichkeit 
beherrschen: der Vorsichtige weicht auch dem Reiter aus, vielleicht 
sogar einem sehr eilig daherstürmenden Fußgänger, der bei aller 
Vorsicht mehr trotzig Veranlagte wird in diesen Fällen seinen Weg 
unbeirrt weiter gehen, nachdem er sich überlegt hat, dass der be¬ 
drohende Theil kein Recht habe, ihn zu verdrängen, aber auch er 
flüchtet vor dem elektrischen Wagen oder einem wild gewordenen
	        
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