Volltext: Roger Bacon‘s Stellung in der Geschichte der Philologie (19)

Roger Bacon’s Stellung in der Geschichte der Philologie. 191 
2. wegen der klaren Erkenntniss dessen, was Noth that auf dem 
Gebiete bes. der biblischen Textkritik, und vor Allem auf dem Ge¬ 
biete der Etymologie; wegen der rücksichtslosen Durchführung eines 
vom Alterthum bereits aufgestellten, von den früheren Kirchenschrift- 
stellem anerkannten, im späteren Mittelalter aber gänzlich außer 
Acht gelassenen etymologischen Princips; 
3. wegen der unermüdlich wiederholten Forderung gründlicher 
und breiterer sprachlicher Kenntnisse, und damit einer Vertiefung 
der sprachlichen Studien im Gegensatz zu der Verflachung derselben 
bei seinen Zeitgenossen; 
4. wegen seiner eigenen gründlichen, besonders griechischen 
Sprachkenntnisse, welche, wenn sie auch nicht immer unseren An¬ 
forderungen genügen, dennoch seiner Kritik eine solide Basis geben 
und ihn befähigten, die erste selbständige griechische Grammatik des 
Mittelalters zu verfassen. 
Aus diesen Gründen wird man nicht anstehen, in seiner 
Kritik einen wesentlichen Fortschritt philologischer Studien 
zu erkennen, und ihn für einen Vorläufer der Philologie der 
Renaissance zu halten. 
Nachtrag. Wenn Prantl, Geschichte der Logik 3, S. 121 sagt: »Hebt man 
hervor, dass er auf Sprachstudium, auf Physik und insbesondere auf Mathematik 
hinwies, so soll man bedenken, dass vor ihm der Grammatiker Helias lebte, 
aus welchem schon Vincent de Beauvais schöpfte, und dass Albert mit 
reichen Händen Naturkunde spendete, sowie dass Robert Capito die gleiche 
mathematische Neigung besaß«, so ist darauf zu bemerken: 1) dass Vincent’s (i-1264) 
Schöpfen bekannt genug ist, dass dieser, ohne sich der eignen Armuth zu schämen, 
überhaupt nichts that als schöpfen, dass er, völlig kritiklos, völlig zufrieden ist 
mit Papias, dass die Idee eines großen etymologischen Wörterbuchs (wie sie 
B. verschwebte) ihn geradezu erschreckt, Spec. Doctr. 2, 45; und dass B. über 
jeden Vergleich mit Vincent erhaben ist; 2) dass der Name des Petrus Helias 
besonders unglücklich gewählt ist. Dieser von Vincent ausgebeutete Priscian- 
Commentator und lateinische Grammatiker des 12. Jahrh. kommt bei einem 
Vergleich mit B. überhaupt gar nicht in Frage. Er ist völlig unselbständig und 
bereits von Thurot (1. c. S. 96, 97) genügend charakterisirt. Evrard de Bethune 
wäre eher zu nennen gewesen, dessen Graecismus (bes. c. 10) das Gebiet der griechi¬ 
schen Etymologie berührt, aber freilich gerade in der von B. gerügten Weise, 
vgl. Thurot, S. 109 ff.
	        
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