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Ottmar Dittrich.
gliedrigkeit des Ausdrucks, also Aeußerung xerr’ et, dort Zwei- oder
Mehrgliedrigkeit des Ausdrucks, also Satz. Aber diese Scheidung
liefert, so praktisch sie an sich wäre, mit ihrer zu geringen Rücksicht¬
nahme auf die Bedeutungsseite der sprachlichen Erscheinungen, d. h.
gerade diejenige Seite dieser Erscheinungen, welche wir als für das
syntaktische Problem vorzüglich wichtig zu erkennen Gelegenheit
haben werden, doch keine auch sprachpsychologisch befriedigende
Lösung dieses Problems, und ist denn auch von Wundt nur sehr
cum grano salis angenommen worden.
Wie man sieht, dreht sich also die Meinungsverschiedenheit wieder¬
um hauptsächlich um die »eingliedrigen«, insbesondere auch um die
»einwortigen« Sätze, und ich will daher auch diese, vor allem die
»einwortigen«, in den Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung
stellen; die übrigen, damit im Zusammenhang stehenden Punkte, als
da sind die Frage der willkürlichen oder unwillkürlichen Gliederung,
der logischen oder nichtlogischen Beziehungen der Satzglieder, der
attributiven und prädicativen Sätze (um nur die bis jetzt zwischen Wundt
und Delbrück zur Sprache gekommenen syntaktischen Fragen kurz
zu berühren), werden dabei wenigstens gestreift werden können, so
dass sich am Schlüsse wohl ein ziemlich vollständiges Bild des hier
Einschlägigen ergeben dürfte. Ich gehe gleich in médias res.
I. Die Bedeutungssyntax.
Syntax ist hier im Sinne eines nomen actionis zu verstehen, also
gleichbedeutend etwa mit Syntaxirung zu einem Verbum syntaxiren.
Die Thätigkeit, welche dieses Verbum ausdrücken soll, ist von seiten
des Sprechenden die Conception der Bedeutung, welche das von ihm
hervorgebrachte Lautgebilde, die Lautung, zu einem sprachlichen Satze
macht, von seiten des Hörenden die Conception dessen, was er für
die Bedeutung dieser Lautung hält. Man könnte also meinen, es
sei der Satzcharakter eines sprachlichen Gebildes stets nur vom
Sprechenden aus zu bestimmen; dem ist jedoch nicht immer so, und
auch sonst befinden sich der Sprechende und der Hörende unter so
I wesentlich verschiedenen psychologischen Bedingungen, dass eine
Scheidung der bedeutungssyntaktischen Probleme nach der Bedeutungs¬
syntax des Sprechenden bezw. des Hörenden dringend geboten erscheint.