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Ottmar Dittrich.
auch daraus schon einigermaßen klar geworden sein, dass es an der
Berechtigung, die Bedeutungssyntax des Hörenden einer gesonderten
Betrachtung zu unterwerfen, durchaus nicht mangelt: sie stimmt mit
der des Sprechenden weniger überein, als gemeinhin angenommen
wird. Fassen wir alles hier in Betracht kommende ähnlich wie oben
S. 95 in eine bequeme Formel, so können wir sagen, die Bedeutungs¬
syntax des Hörenden stelle eben ein phylontogenetisches Problem
dar, d. h. eines jener Probleme, welche sich an sprachliche Akte
knüpfen, bei deren Vollzug der Vollzieher als momentan von der
Sprechthätigkeit seiner Umgebung abhängig zu denken ist. Es fragt
sich nun, worin diese Abhängigkeit besteht und wie weit sie geht.
Dazu ist es zweckmäßig, uns wieder die concreten Fälle vor Augen
zu halten: H werde von S angesprochen, oder befinde sich bereits
mit S im Gespräch. Im Falle 1 sind, wenn die Anrede unvermuthet
erfolgt, die Bedingungen passiver Apperception, wenn sie erwarteter¬
maßen erfolgt, die Bedingungen activer Apperception gegeben (vergl.
Wundt, Grundriss der Psych.4 S. 260f.), im Falle 2 wohl stets die
Bedingungen activer Apperception. Die Frage nach dem Motiv oder
den Motiven der Apperception, die sich hier zufolge dem Charakter
der Apperception als einer innern Willenshandlung auf drängt, ist
dahin zu beantworten, dass die Lautungswahrnehmung und irgend ein
associativ mit ihr auftretendes Gefühl, wo nicht das einzige Motiv,
so doch mindestens eines der Motive des sich nun entwickelnden
Apperceptionsprocesses liefere. Dieser Process kann je nach der Be¬
schaffenheit der Lautung und der übrigen für die psychophysische
Gegenwart des Hörenden maßgebenden Bedingungen sehr verschieden,
îelativ einfach oder auch sehr complicirt ausfallen, und darnach, je
nachdem mehr oder weniger Motive, die nicht in der Lautung und
den an sie geknüpften Gefühlen liegen, entscheidende Geltung für
den Enderfolg gewinnen, wird sich auch die Abschätzung der
momentanen Abhängigkeit richten müssen, in welcher H von S zu
denken ist. Für die gegenwärtige Untersuchung aber ist diese Art
Fragestellung, die nach dem Grade der Abhängigkeit nämlich, nur
insofern von Werth, als sie auch die Frage nach der Minimal¬
abhängigkeit einschließt, hei welcher überhaupt noch eine sprachliche
Wirkung von S auf H anzunehmen ist. Wir werden damit wieder
zu den »einwortigen Sätzen« zurückgeführt, und es handelt sich nur