Die sprachwissenschaftliche Definition der Begriffe „Satz“
und „Syntax“.
Von
Ottmar Dittrich.
Leipzig.
In dem Meinungsaustausch 1), der sich kürzlich an das syntaktische
Capitel von Wundt’s »Völkerpsychologie« (II, S. 215ff.) angeschlossen
hat, werden zwei Satzdefinitionen einander gegenübergestellt, die schein¬
bar keine Vermittelung vertragen: Wundt erklärt in der »Völker¬
psychologie« (II, S. 240) und beharrt darauf in »Sprachgeschichte und
Sprachpsychologie« (S. 68ff.), der Satz sei sroer sprachliche Ausdruck
für die willkürliche Gliederung einer Gesammtvorstellung in ihre in
logische Beziehungen zu einander gesetzten Bestandtheile« ; Delbrück
vertritt seine im »Grundriss der vergleichenden Grammatik dpr in¬
dogermanischen Sprachen« III, S. 75 aufgestellte Definition (yén Satz
ist eine in articulirter Bede erfolgende Aeußerung, welche dem
Sprechenden und Hörenden als ein zusammenhängendes und abge¬
schlossenes Ganzes erscheint«) auch in den »Grundfragen« S. 136ff.
und macht nur insofern eine gewisse Concession, als er, an der Ein¬
beziehung der sogenannten eingliedrigen Sätze in den Satzbegriff fest¬
haltend, am Ende (S. 145, im Anschluss an Wechssler, »Gibt es
Lautgesetze?« S. 17) vorschlägt: »Aeußerung als den oberen Begriff
aufzustellen und den Satz als eine Aeußerung zu definiren, die aus
mindestens zwei Gliedern besteht.« Nimmt man diese Concession
an, so hat man allerdings eine reinliche formale Scheidung: hier Em¬
il Vgl. B. Delbrück, Grundfragen der Sprachforschung, mit Rücksicht auf
W. Wundt’s Sprachpsychologie erörtert, Straßburg 1901; W. Wundt, Sprach¬
geschichte und Sprachpsychologie, mit Rücksicht auf B. Delbrück’s Grundfragen
der Sprachforschung, Leipzig 1901.