Volltext: Die Hauptformen des Rationalismus (19)

Die Hauptformen des Rationalismus. 
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wissenschaftlichem Gebiete z. B. stünde dann der Thesis: »Alle Natur¬ 
wissenschaft ist fortschreitende Rationalisirung, ihr Ziel ist Auflösung 
aller bloßen Thatsächlichkeit in Rationalität« die Antithesis gegen¬ 
über: »In allen Sätzen der Naturwissenschaft liegt ein irrationaler 
Factor, dessen genaue Feststellung wesentliche Aufgabe der Wissen¬ 
schaft ist und der nie auf Rationalität zurückgeführt werden kann.« 
Indessen ist leicht zu sehen, dass mit einer solchen Gegenüberstellung 
noch nicht viel gewonnen wäre. Zunächst liegen nämlich hier noch 
zwei Fragen vor, die ineinander verstrickt sind: Muss in jeder Er- 
kenntniss ein Irrationales liegen? und: Hat das Irrationale Erkenntniss- 
werth? Mit der Bejahung der ersten Frage wäre noch ein metho¬ 
dologischer Rationalismus vereinbar — nur müsste er zugestehen, 
dass sein Ziel unerreichbar ist. Erst die Bejahung der zweiten Frage 
schließt jeden Rationalismus aus. Ferner wird sich die Antwort ver¬ 
schieden gestalten, je nachdem, oh man Naturwissenschaft ihrer Methode 
nach für die allein vorbildliche Wissenschaft hält oder nicht, und ohs 
man im zweiten Falle alles Irrationale der Beimengung einer anderer 
Art wissenschaftlicher Zielsetzung zuschieben zu können meint, oder 
ob man auch die nicht naturwissenschaftliche Erkenntniss etwa ethisch¬ 
teleologisch rationalisiren zu können glaubt. Hier sieht sich die 
Discussion dann sogleich ins Einzelne und Weite getrieben. Anderer¬ 
seits bemerkt man, wie der naturwissenschaftliche Zwang des Ratio¬ 
nalismus Stellung zu nehmen hat zu einer allgemein-wissenschaftlichen 
Erweiterung seiner Thesis, und wie diese Erweiterung sogleich auf 
den werthenden Rationalismus hinführt. Hier scheint also umgekehrt 
eine noch allgemeinere Fragestellung gefordert zu werden, welche die 
beiden bisher behandelten Fälle des methodologischen Rationalismus 
zu bloßen Beispielen herabwürdigt. Die stolze, thätige Selbständigkeitr 
der Vernunft, die allein Werth zu haben und zu verleihen scheint,? 
und die Unmöglichkeit, aus bloßer Vernunft irgend etwas Inhaltvolles i 
abzuleiten, stehen einander gegenüber — so könnte man etwas populär! 
und gefühlsmäßig sagen. Es kann die Aufgabe dieser phäno¬ 
menologischen Untersuchung nicht sein, einen strengeren Ausdruck 
des Gegensatzes an die Stelle dieser unbestimmten Fassung zu setzen. 
Noch weniger ist es hier möglich, die Auswege, Spielarten und Misch¬ 
formen der entgegenstehenden Ansichten zu überblicken. Es sollte 
nur gezeigt werden, dass der Rationalismus keine todte Größe ist, dass
	        
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