Die Hauptformen des Rationalismus.
Von
Jouas Cohn.
Freiburg i. Br.
Die allgemeinen Bezeichnungen philosophischer Richtungen erregen
in dem wissenschaftlich Arbeitenden leicht gemischte Gefühle. Sie
dienen nur allzu oft einer äußerlichen Kennzeichnung der Gedanken¬
arbeit, einer Oberflächlichkeit, die mit einem Systeme fertig zu sein
meint, wenn sie ihm eine Etikette auf geheftet hat. Im Streite der
Parteien sind sie vielfach zu Spottnamen herabgesunken, deren An¬
wendung in der wissenschaftlichen Polemik dann nahezu etwas Ge¬
hässiges bekommt. Trotzdem sind diese Namen unentbehrlich, be¬
sonders sobald es sich darum handelt, aus den Bemühungen der
Vergangenheit für den Aufbau einer philosophischen Wissenschaft
Nutzen zu ziehen. Denn zu diesem Zwecke ist es nöthig, aus der
Fülle von Anschauungen, die in fast unmerklichen Uebergängen in
einander fließen oder, von verschiedenen Gesichtspunkten ausgehend
und in ganz verschiedener Sprache redend, kaum vergleichbar er¬
scheinen, die principiellen Unterschiede herauszufinden. Nur so kann
man hoffen, zu einer Uebersicht der wirklichen und schließlich gar
der möglichen Antworten auf ein Problem zu gelangen. Soll dieses
Ziel erreicht werden, so muss man durchaus versuchen, von einer
bestimmten Problemstellung auszugehen. Wohl könnte es danach
scheinen, als sei die hier angedeutete Aufgabe eine rein systematische,
weil aus der Analyse der Fragestellung die möglichen Antworten
sich von selbst ergehen müssten. Aber das auf sich gestellte Denken
des Einzelnen wird schwerlich die ganze Fülle möglicher Auskünfte
aus sich heraus entwickeln können. Hier vielmehr wird es stets
nothwendig sein, Umschau in der Geschichte zu halten und zu unter-