Volltext: Zur Psychologie der gebundenen und der freien Wortstellung (19)

36 
Paul" Barth. 
dessen Inhalt im Vordergründe des Bewusstseins steht.« Warum 
aber, wenn das Subject den Satz nicht eröffnet, die Inversion bald 
stattfindet, bald, wie nach den Bindepartikeln: »und, aber, auch, oder« 
unterbleibt, davon weiß Wunderlich keine Rechenschaft zu gehen. 
Ebenso wenig von der Anfangsstellung des Verbums im Nachsatze. 
Denn das »Gefühl für Parallelismus«, das er anführt1), könnte sich 
doch nur auf den voraufgehenden Nebensatz beziehen, müsste also 
das Verbum nicht an den Anfang, sondern ans Ende rücken. Und 
schließlich muss Wunderlich zugeben, dass die Fälle, in denen das 
Verbum aus psychologischem Grunde, weil im Vordergründe des Be¬ 
wusstseins stehend, vorangestellt wurde, auf die andern, wo dies nicht 
der Fall war, schablonisirend gewirkt haben. 
Aber die Schablonisirung waltet nicht bloß in der Wortstellung 
des Nachsatzes. Auch in den häufiger gebrauchten Formeln der 
Umgangssprache macht sie sich geltend. Während einige derselben 
noch nicht erstarrt sind, so dass man z. B. ohne erheblichen Unter¬ 
schied der Schattirung sagen kann, »wünsche viel Vergnügen« und 
»viel Vergnügen wünsch’ ich«, sind andere schon viel fester geworden. 
»Ich bitte um Verzeihung« ist die gewöhnliche Einleitung zu einem 
diesem Anfänge entsprechenden Satze. Wenn eine Umstellung ein- 
tritt: »Um Verzeihung bitte ich«, so gibt sie der Rede schon eine 
gewisse Feierlichkeit, weil wir sie als ungewohnt fühlen. Ebenso wie 
hei dieser letzten verhält es sich bei anderen conventioneilen Formeln : 
»Ich habe die Ehre, ich habe das Vergnügen, ich bin sehr erfreut, 
ich bitte mich zu Hause zu empfehlen« u. a. Ganz fest sind vollends 
ähnlich wie im Lateinischen ita me di ament u. a. auch die deutschen 
Schwurformeln geworden: Gott straf mich, Gott verdamm’ mich, so 
wahr mir Gott helfe, weiß Gott, da sei Gott vor, und überhaupt alle 
religiösen Formeln: Gott sei Dank (»Dank sei Gott« wäre ganz un¬ 
gewohnt und feierlich), Gott sei Loh und Dank, Gott sei’s geklagt, 
grüß Gott u. a. »Gott sei hei uns« ist sogar zu einem Nomen erstarrt. 
Freilich mit dem Begriffe der fortschreitenden Schablonisirung 
ist noch nichts erklärt. Es ist nur die Thatsache constatirt. 
Warum, um eine von den mannigfachen Schahlonisirungen her¬ 
auszugreifen, die im Althochdeutschen noch nicht allgemeine End- 
1) A. a. O., S. 418.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.