Hume’s Lehre vom Wissen.
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Axiom1), eine wahre Vorstellung müsse mit dem-, was sie vorstellt,
übereinstimmen; denn hier wird vorausgesetzt, dass eine solche Ueber-
einstimmung unter allen Umständen möglich ist, was natürlich nicht
ohne weiteres beweisbar ist.
Erst Locke’s Princip ist — mag es auch nicht ganz consequent
durchgeführt sein2) — durchaus klar und voraussetzungslos : Wissen
ist Uebereinstimmung (bezw. Nichtübereinstimmung) des in der Einzel¬
erfahrung Gegebenen, oder, wie Locke selbst sagt, unserer Ideen;
denn was Locke Ideen nennt, fällt im wesentlichen mit dem in der
Einzelerfahrung Gegebenen zusammen. Dieses Princip, das sich so
leicht mit dem Princip der widerspruchslosen Verknüpfung in der
modernen Erkenntnisstheorie in Parallele bringen lässt, kennzeichnet
zugleich auch die Berührungspunkte Locke’s mit der modernen
Forschung, und es liegt daher nahe, an dieser Stelle eine Zwischen¬
frage einzuschieben: Wodurch hat Locke diesen seinen Fortschritt
erreicht? Durch seine psychologische Forschungsmethode? Gewiss,
und doch ist der damit bezeichnete Gegensatz zu seinen Vorgängern
kein so principieller, als es auf den ersten Anblick scheinen möchte.
In letzter Instanz muss ja jede Begriffsbestimmung ein in gewissem
Sinne psychologisches Verfahren involviren, denn immer wird sie
darauf hinauslaufen, einen Begriff von anderen abzugrenzen, ihn auf
andere Begriffe oder sonstige psychische Gebilde zurückzuführen,
seine Abhängigkeit von ihnen darzulegen — und dabei handelt es sich
stets um Bewusstseinsthatsachen; denn als solche werden wohl die
Begriffe unter allen Umständen gelten müssen. Besonders augenfällig
ist dies vollends, wenn — wie in unserem Falle — diese Begriffe
sich außerdem noch auf Gegenstände der psychischen Welt beziehen.
Nun erhebt sich allerdings die Frage: wann ist eine derartige Be-
griffsanalyse als beendet anzusehen? Die Antwort ist beinahe selbst¬
verständlich: offenbar dann, wenn die vorliegenden complexen That-
sachen auf die relativ einfachsten zurückgeführt sind. Nur über
den genaueren Sinn dessen, was als einfach zu gelten hat, lässt sich
streiten: und hier muss eine naheliegende Verwechslung vermieden
1) Spin. Ethic., P. I. Ax. VI.
2) Ueber die Bedeutung von agreement und disagreement vergleiche die Fu߬
note auf S. 174 des 2. Bandes der Th. Schultze’schen Uebersetzung von Locke’s
Essay. (Leipzig. Ph. Reclam.)
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