Hume’s Lehre vom Wissen.
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— nur insoweit geschehen, als es mit der englischen Erfahrungs¬
philosophie in directem Zusammenhänge steht. Dieser Zusammenhang
scheint freilich nicht allzuweit zu reichen; wenigstens ist es auf¬
fallend, dass die Lehre Hume’s nach der angegebenen, also der
aprioristischen Seite hin — es handelt sich dabei um bestimmte Fragen
seiner Relationstheorie — trotz mancher Unzulänglichkeiten in Eng¬
land selbst keine eigentliche Weiterbildung erfahren hat. Der Ent¬
wicklungsgang der englischen Philosophie macht das verständlich.
Denn die Strömung, die dort als die eigentliche Fortführung von
Hume’s Gedankengängen gelten muss, war zu radical, als dass ihr
jener Rest von »Apriorismus« anders denn als eine Schwäche er¬
scheinen konnte, die nach Möglichkeit beseitigt werden musste ; auf
Seiten der Gegner aber verdrängte der Einfluss Kant’s, in dessen
Lehre der genannte Punkt ja zweifellos mit größerer Entschiedenheit
hervortrat, sehr bald den seiner Vorgänger. So erscheint es begreif¬
lich, dass, so wesentlich die Relationslehre in anderer Hinsicht für
die englische Philosophie geworden ist, dennoch jener Theil von ihr,
der bei Hume zur Begründung des allgemeingültigen Wissens (know¬
ledge) geführt hat, ohne Weiterbildung gebheben ist. Nebenbei mag
bemerkt werden, dass die Beiträge der neueren englischen Philosophie
zur Relationslehre im weiteren Sinne von Alexius Meinong im
zweiten Theile seiner Humestudien eingehend behandelt sind; der
wichtigste von ihnen — der Spencer’s — hat außerdem in einer
Abhandlung von Pace (Philos. Studien, VII) eine ausführliche Kritik
erfahren.
Sehr bemerkenswerth sind nun aber für unser Problem die
Weiterbildungen, die Hume’s Relationslehre in der deutschen Philo¬
sophie erfahren hat. Genannt sei zunächst Th. Lipps, der seiner
eigenen ausdrücklichen Bemerkung zu Folge mit dem principiellsten
Punkte seiner Logik den wichtigsten Gegensatz der Hume’sehen
Relationslehre von neuem geltend macht1), eben jenen Gegensatz, der
bei Hume zur Aussonderung des Wissens im strengen Sinne von dem
bloßen Erfahrungswissen geführt hat.
Noch enger berühren sich Meinong’s Forschungen mit denen
Hume’s: bekanntlich sind das jene Arbeiten, die ihren Verfasser
1) Grundzüge der Logik. Von Th. Lipps. (Leop. Voss, 1893). S. 8.
Wundt Thilos. Studien. XVII. 41