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Paul Linke.
zwar in Folge dessen leicht und sicher damit operiren, erschwere
aber gerade deshalb die psychologische Analyse.
Die einfachste Frage, von der wir ausgehen müssen, lautet offen¬
bar: Welches sind die Bedingungen, unter denen Vergleiche elemen¬
tarster Art zu Stande kommen? Welches ist der complexe psy¬
chische Vorgang, in den sich das Vergleichen als Theilvorgang
einordnet? man vergleicht ja nur in Ausnahmefällen um des Ver¬
gleichen selbst willen (eigentlich nur hei einer psychologischen Be¬
trachtung), sondern man bedient sich des Vergleichen wegen eines
anderen, gewissermaßen über das Vergleichen hinausfallenden Zieles.
Ein solches Ziel ist uns bereits begegnet, es bestand darin, der Auf¬
forderung zum Vergleichen nachzukommen. Daran wurde hier na¬
türlich nicht gedacht; es soll sich ja eben um viel einfachere That-
bestände handeln. Wir gehen am besten von einem Beispiele aus:
Jemand habe die Absicht irgend einen Körper in Lösung zu bringen;
dazu stehen ihm verschiedene Flüssigkeiten, etwa Wasser und Salz¬
säure, zur Verfügung. Nun probirt er beide nach einander und
findet, dass nur die Säure für seinen Zweck geeignet ist. Hat er
in diesem Falle die beiden Flüssigkeiten mit einander verglichen?
Sobald wir diese Frage mit ja beantworten, können wir die ange¬
gebene Interpretation von Meinong’s Behauptung, jedes Vergleichen
sei auf ein Ziel, nämlich auf die Fällung eines evidenten Ver-
gleichungsurtheils gerichtet und dieses Ziel schwebe dem Verglei¬
chenden bei seiner Thätigkeit deutlich vor, nicht mehr aufrecht er¬
halten. Der, welcher liier verglichen hat, hat schwerlich die Absicht
gehabt, Uebereinstimmungen und Unterschiede an den beiden Flüssig¬
keiten festzustellen. Gewiss hat er thatsächlich einen sehr wesent¬
lichen Unterschied festgestellt, einen Unterschied hinsichtlich ihrer
Fähigkeit den Körper zu lösen — er hat dies gleichsam als Neben-
product erreicht: aber die Absicht, die er von Beginn seines Thuns
an verfolgte, war ja eine ganz andere : er wollte, wie wir wissen, den
betreffenden Körper in geeigneter Weise in Lösung bringen. Viel¬
leicht ist das hier Gesagte noch missverständlich. Man erwidert
etwa: Mit dem Augenblicke, wo der Vergleichende die beiden Flüssig¬
keiten probirt, um zu erfahren, welche von beiden zu seinem Zwecke
geeignet ist, setzt er sich schon das Ziel ihre Uebereinstimmungen
resp. Unterschiede festzustellen, nämlich eben hinsichtlich ihrer Fähig-