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Paul Linke.
V. Das »fundamentnm relationis«. A. Meinong’s Stellung.
Es wird nunmehr angebracht erscheinen die einzelnen Relations-
classen, welche der Lehre vom Wissen als Grundlage dienen, selber
eingehender zu betrachten. Diese Betrachtung wird zugleich einige
der Punkte berühren, die Meinong in der schon erwähnten Ab¬
handlung im Anschlüsse an Hume hervorgehoben, und zur Begrün¬
dung einer selbständigen Relationstheorie verwandt hat.
Meinong hält es für zweckmäßig, zur exacteren Behandlung der
Relationsprobleme einen von Locke aus der Scholastik recipirten
Ausdruck, der sich bei Hume nicht findet, wiederum einzuführen:
es ist der Begriff des »fundamentum relationis« '). Locke spricht
ja — wie schon oben1 2) erwähnt wurde — von zwei Erfordernissen
für jede Relation: zuerst von zwei zu vergleichenden Dingen oder
Ideen, die er Relata nennt, und sodann von einem Grunde oder
einer Gelegenheit zum Vergleichen. Der letztere Ausdruck ist
äußerst unbestimmt: und so wird denn auch das Mannigfaltigste
unter ihm zusammengefasst. Sage ich von einem Menschen, er sei
ein Ehemann, so ist der Vertrag oder die Ceremonie der Heirath
das Relationsfundament, ebenso ist es die weiße Farbe, wenn ich
von demselben Menschen behaupte, er sei weißer als Sandstein. Hier
könnte man allenfalls das Fundament als den Grund zum Vergleichen
ansehen. Anderseits werden aber auch Zeit und Raum als Gründe
und Identität als Gelegenheit zum Vergleichen angeführt3): zum min¬
desten hei der Identität werden wir geneigt sein eher von einem Er¬
gebnis des Vergleiches zu reden. Damit würde freilich Locke selber
am wenigsten einverstanden sein. Nach ihm ist die Relation seihst
ein Vergleichsergebniss. Die Relation wird — wie er gleich zu An¬
fang seiner Relationslehre hervorhebt — vom Geiste aus der Ver¬
gleichung zweier Ideen gewonnen. Wollten wir daher auch das
Fundament als Vergleichsergebniss auffassen, so hieße das Relation
und Relationsfundament identificiren, und das würde natürlich Locke’s
Tendenzen nicht entsprechen.
1) A. Meinong, Humestudien II. S. 614.
2) S. 639.
3) Locke, Essay conc. hum. und. B. II, oh. 26, § 3 & ch. 27, § 1.