Hume’s Lehre vom Wissen.
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von Euklid bewiesenen Wahrheiten für immer ihre Gewissheit und
Beweiskraft behalten« — lautet der aus diesem Passus oft citirte
Satz, der dieses am besten erhärtet. A.uch darauf sei noch hinge¬
wiesen: Die unveränderlichen oder Ideenrelationen sind, wie man
leicht sieht, nur ein anderer Ausdruck für die Thatsache der Ab¬
hängigkeitsbeziehung. Das heißt mit anderen Worten: die Beziehung
der Abhängigkeit, also im wesentlichen die Beziehung von Grund
und Folge, wird von Hume ausdrücklich als Grundlage des eigent¬
lichen Erkennens hingestellt, so dass die anderen zum Wissen führen¬
den Relationen sich ihr gewissermaßen suhsumiren. In dieser Ein¬
sicht liegt nicht nur ein Fortschritt gegenüber früheren Meinungen,
sondern auch eine Anticipation späterer Anschauungen und verdient
jedenfalls gegenüber der fehlerhaften Analyse des empirischen Cau-
salbegriffes hervorgehoben zu werden.
Die Untersuchung der veränderlichen oder Thatsachenrelationen
dominirt allerdings in Hume’s Ausführungen ganz unverhältniss-
mäßig. Das Causalproblem bildet bekanntlich den Hauptinhalt des
ersten Buches des Treatise und vor allem beinahe des ganzen En¬
quiry. Für uns steht gerade die andere Gruppe der Relationen im
Vordergründe des Interesses — soweit nicht die beiden gemeinsame
psychologische Grundlage Betrachtungen noch allgemeinerer Art er¬
fordert.
Bedeutungsvoll ist vor allem die Frage nach dem erkenntnisstheore-
tischen Werthe der ganzen Eintheilung. Hier ist soviel schon jetzt
deutlich: Hume’s Relationseintheilung ist nicht identisch mit Kant’s
Unterscheidung von analytischen und synthetischen Urtheilen. Kant
selbst war es, der zu dieser Identificirung, die ja zum Theil noch
heute versucht wird, den Anlass gegeben hat: gemeint ist die be¬
kannte Stelle in den Prolegomenen, in der er sein Verhältniss zu
Hume näher bestimmt. »Reine Mathematik enthält bloß analytische
Sätze«, mit diesen Worten glaubt hier Kant Hume’s Auffassung
in seine Terminologie übertragen zu haben. Da Kant den Treatise
nicht kannte, war allerdings die Möglichkeit eines solchen Missver¬
ständnisses gegeben. Im Enquiry werden als Beispiele der Vor¬
stellungsrelationen lediglich mathematische Beziehungen aufgeführt,
1) I. Kant, Prolegomena. Einleitung.