Hume’s Lehre vom Wissen.
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tion der Gleichheit zwischen der Summe seiner Winkel und zwei
Rechten, diese Relation ist unveränderlich, so lange unsere Vorstel¬
lung dieselbe bleibt. Dagegen können die Relationen der Conti-
guität oder Entfernung zweier Gegenstände durch den bloßen Wechsel
ihres Ortes verändert werden ohne gleichzeitige Veränderungen an
den Gegenständen selbst oder den Vorstellungen derselben; der Ort
wiederum hängt von hundert verschiedenen Zufällen ab, die nicht
von dem Geiste vorher gesehen werden können. Dasselbe ist der
Fall bei der Identität und der Ursächlichkeit.« Gegenstände, die
sich völlig gleichen, brauchen nicht nothwendig identisch zu sein: es
ist recht wohl möglich, dpss sie numerisch verschieden sind und auch
die Idee der Kraft (power), die Ursache und Wirkung verbindet, kann
nicht aus der bloßen Idee der in Frage kommenden Gegenstände ge¬
wonnen werden.
Innerhalb der unveränderlichen oder Ideenrelationen lässt Hume
die alte Locke'sche Eintheilung von Intuition und Demonstration
bestehen. Aehnlichkeit, Widerstreit und Qualitätsgrade werden in¬
tuitiv erkannt. Gleichen sich zwei Gegenstände, so drängt sich die
Aehnlichkeit sofort dem Geiste auf, ebenso kann Niemand daran
zweifeln, dass Sein und Nichtsein einander aufheben, dass sie »vollstän¬
dig unvereinbar sind und einander durchaus widerstreiten«1). Die Grade
einer Qualität sind zwar, wenn es sich um sehr geringe Differenzen
handelt, nicht immer genau zu bestimmen, in den meisten Fällen
aber sind auch sie der Intuition zugänglich; dagegen wird, was die
Quantitätsrelation anlangt, nur die Gleichheit sehr kleiner Zahlen
und Ausdehnungsgrößen unmittelbar erkannt: in den anderen Fällen
müssen wir — falls wir uns nicht mit bloß angenäherten Resultaten
begnügen wollen — besondere Hülfsmittel oder Hülfsverfahren an¬
wenden, d. h. also demonstrativ Vorgehen. Unter allen Umständen
ist die Sicherheit des erreichten Wissens von der Genauigkeit des
angewandten Maßstabes abhängig. Dieser Maßstab ist aber seiner¬
seits wieder um so genauer, je weniger er von Impressionen, also
von Vorstellungen, die wir in der äußeren Natur unmittelbar wahr¬
nehmen, abhängig ist: Arithmetik und Algebra sind deshalb die
exactesten Wissenschaften, denn der ihnen zu Grunde liegende Maß-
1) Ibid. Vol. I. P. Ill, sect. 1.