640
Paul Linke.
Einzeldinge. Denn wenn wir einmal einen bestimmten Gegenstand
wahmehmen und dann wieder einen solchen, der mit jenem voll¬
kommen gleichartig ist, so. ist damit bei weitem noch nicht gesagt
dass es sich hier um einen und denselben Gegenstand handelt. Erst
wenn wir festgestellt haben, dass es einen Moment gegeben hat, in
dem die beiden unserem Bewusstsein gegebenen Gegenstände dieselbe
Stelle im Raume eingenommen haben, müssen wir die Identität beider
anerkennen, mit anderen Worten: wir müssen zugestehen, dass wir
ein bestimmtes Individuum vor uns haben. Mit den Raum- und
Zeitbestimmungen ist daher das Individuationsprincip gegeben.
Man sieht nun aber doch den Berührungspunkt beider Identitäts¬
gruppen. Eigentlich ist er schon genannt : es war ja von vollkommen
gleichartigen Dingen die Rede, von Dingen derselben Art, wie
Locke es nennt. Wir bringen kaum mehr als eine Veränderung
des Ausdruckes, wenn wir statt von Dingen derselben Art von Dingen
reden, die durch denselben Begriff zusammengefasst sind. Wir gehen
damit natürlich über Locke hinaus, können dann aber das fragliche
Princip präciser formuliren und sagen:
Haben zwei [oder mehr] Bewusstseinsinhalte genau dieselben be¬
grifflichen Bestimmungen oder Merkmale, so dürfen wir doch erst
dann behaupten, dass ihnen nur ein Individuum entspricht, wenn sich
unter diesen identischen Bestimmungen auch die Zeit- und Orts¬
bestimmungen befinden.
Damit ist zugleich auch die Beziehung der Identität zur Coexistenz
ins rechte Licht gesetzt. Auch bei der Coexistenz handelte es sich
um identische Orts- und Zeitbestimmungen; diese betrafen aber
nicht identische, sondern gerade verschiedenartige Begriffe, sodass
wir kurz sagen können : Coexistenz liegt da vor, wo verschiedenartige
Begriffe identische Orts- und Zeitbestimmungen haben, Identität in
jenem zweiten Sinne aber liegt da vor, wo identische Begriffe iden¬
tische Orts- und Zeitbestimmungen haben.
Damit bin ich an’s Ende dessen gelangt, was ich über Locke
zu sagen gedachte. Auf die weiteren hier anschließenden Gedanken¬
gänge des Autors einzugehen, verbietet zunächst die eingangs an¬
gegebene Problemstellung, vor allem aber kann es sich hier nicht
darum handeln — und das gilt besonders soweit das Relätionscapitel
in Frage kommt — das zu wiederholen, was bereits bei Meinong