Volltext: Zur Psychophysik des Geschmackssinnes (17)

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D. P. Hänig. 
die vier relativen Maxima eines solchen Punktes untereinander So 
wird uns sein unterschiedliches Verhalten gegenüber den qualitativ 
wechselnden Geschmackseindrücken deutlich entgegentreten, weil sich 
die Gebiete feinster Unterscheidung für die primären Geschmacks¬ 
qualitäten auf unserem Organe nicht decken. So liegt ja, wie wir im 
vorangegangenen Capitel nachgewiesen haben, das absolute Sensibilitäts¬ 
maximum für Süß am Ende der polaren Ordinaten, die nach der Zun¬ 
genspitze zu ausstrahlen, für Sauer an der Mitte der beiderseitigen 
Zungenränder, und die feinste Empfindlichkeit für Bitter fanden wir im 
Bezirke der Pap. vall. Obgleich für Salz die localen Bedingungen 
zu Intensitätsunterschieden nicht in gleicher Weise ausgebildet sind, 
als für die übrigen Grundempfindungen, so haben wir doch auch für 
diese Qualität wenigstens eine Neigung zu gesteigerter Sensation in 
der seitlichen und vorderen Randregion der Zunge constatiren können. 
Nach dieser eingehenden Sensibilitätsermittlung vermuthen wir, 
dass unter den reizbaren Elementen des Geschmacksorgans eine 
functionelle Differenzirung eingetreten ist, und dass sich die in ihrer 
Adaptation für adäquate Reize übereinstimmenden Endapparate be¬ 
sonders an den Stellen der Zungenoberfläche häufen, wo die betref¬ 
fende Qualität ihr Empfindungsmaximum besitzt. In Anlehnung an 
geläufige Ausdrücke aus der Psychologie des Gesichtssinnes lässt sich 
das Gesammtergebniss der Reizschwellenermittlung allgemein auch so 
formuliren: Das Zungenschmeckfeld ist für alle Qualitäten identisch, 
der Schmeckpunkt im Sinne feinster Unterscheidung ist für jede 
einzelne Qualität innerhalb des Schmeckfeldes räumlich verschieden. 
Wir begegnen hierin wiederum einer Umkehrung der Verhältnisse 
auf der Netzhaut, insofern nämlich der Blickpunkt in Bezug auf die 
qualitativ verschiedenen Farbeneindrücke allenthalben derselbe ist 
und die chromatischen Blickflächen nach den Seitenregionen der 
Netzhaut verschiedene Ausdehnung haben. 
Durch die gesetzmäßige Vertheilung der functionell differenzirten 
Endorgane des Geschmackssinnes ergibt sich auch eine entfernte Be¬ 
ziehung zum Gehörssinne ; letzterer ist ein eminent analytischer Sinn, 
und auch dem Geschmackssinne wohnt eine analysirende Kraft inne; 
complicirte Geschmacksinhalte löst er bekanntlich in seine Componen- 
ten auf. Dabei habe ich an mir des öfteren wahrgenommen, dass 
ich den fraglichen Reizstoff, der die gemischte Empfindung auslöste,
	        
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