Zur Psychopbysik des Geschmackssinnes.
605
Setzt man diese Zahlen in Relation zu den auf derselben Linie
befindlichen Grenzwerthen, so erkennt man, dass sie im Vergleiche zu
jenen der Ausdruck einer mittleren Perceptionsfähigkeit sind. Die
Sensibilität für Bitter nimmt demnach auch von der Peripherie aus
nach dem geschmackslosen Mittelgebiete der Zunge stetig ab.
Ueber die deutliche Localisation der Bitterempfindung in dem
Bezirke der Pap. vall. und foliatae herrscht in der Physiologie wie
Psychologie unbestrittene Uebereinstim-
mung. Von den neueren Zeugnissen für
diese Thatsache sei wieder auf Rollett1)
hingewiesen. Dieser Autor hat ganz ent¬
sprechend den Chloroformversuchen Ex¬
perimente mit Aether ausgeführt, genau
in den Variationen, wie sie oben für das
olfactorische Süßschmecken beschrieben
wurden. Aus dem Empfindungscomplexe,
welchen dieser Reiz in der Mundhöhle
auslöst, trat dominirend eine Bitterempfin¬
dung hervor. Rollett localisirte die quali¬
tativ so bestimmte Geschmacksempfindung
an der Zungenbasis, bezw. am weichen
Gaumen.
Analog zu dem vorausgegangenen Ab¬
schnitte fixiren wir die Ergebnisse der
Functionsprüfung des Bitterschmeckens
neben der Tabelle und der topographischen Darstellung in Fig. 6 in
folgenden drei Sätzen.
1. Bitter wird an allen Punkten der Zungengeschmackszone em¬
pfunden, aber in verschiedenen Intensitätsgraden.
2. Das physiologisch-peripherische Maximum der Sensibilität für
Bitter befindet sich im Bezirke der Pap. vall. und Pap. foliatae, das
Minimum an der Zungenspitze und der ihr unmittelbar benachbarten
Randgebiete.
3. Die Perceptionsfähigkeit für Bitter nimmt von der Region der
Pap. vall. bis zur Zungenspitze anfangs plötzlich, dann allmählich ah ;
1) a. a. 0. S. 408.