602
D. P. Hänig.
Systeme handelt, aber eine Wesensgleichheit des psychologischen Pro¬
cesses liegt keineswegs vor. In der Audition colorée erblicken wir
mit Recht nur eine associativ erworbene Verknüpfung, die vorwiegend
durch qualitativ gleichartige Gefühle vermittelt wird. Ihr seltenes
und dazu rein individuelles Auftreten bestärkt nicht minder die Ver-
muthung, dass diese Association erst durch mehr oder weniger be¬
wusste Uebung aus einer successiven in eine simultane übergeführt
worden ist. Das olfactorische Schmecken hingegen ist eine in physio¬
logischen Bedingungen begründete allgemeine Erscheinung. Gewisse
Reize aus unserer Umwelt afficiren eben gleichzeitig die peripheren
Endorgane sowohl des Geschmacks- als auch des Geruchssinnes, und
unsere Organisation kommt einer solchen Complicationswirkung da¬
durch entgegen, dass die beiden in ihrem Verhalten so ähnlichen
Sinnesapparate auch räumlich einander ungemein nahe gerückt sind.
2. Schwellenermittelung für Bitter.
Außer bei Süß wird der Empfindungsinhalt hei Bitter relativ am
wenigsten von störenden Tastempfindungen beeinträchtigt. Dieser
Umstand erleichtert die Schwellenermittelung für diese Qualität, die
ohne Schwanken sofort rein erkannt wird. Die mittlere Variation ist
darum bei einem und demselben Reagenten gering; anderseits aber
unterliegt gerade das Empfindlichkeitsminimum für Bitter großen
individuellen Abweichungen. Nicht geringe Wahrscheinlichkeit spricht
dafür, dass die Gewohnheit des Rauchens diese Abweichungen mit
bedingt, und zwar in der Weise, dass bei Rauchern in der vorderen
Region der Zunge, wo ohnedies die Empfindlichkeit für die fragliche
Qualität gering ist, die Perceptionsfähigkeit weit mehr herabgedrückt
ist als bei Nichtrauchern. Im Bezirke der Pap. vall., die ganz eminent
für bittere Reize adaptirt sind, scheint das Rauchen eine gleich relative
Verschiebung der Reizschwelle nicht zu bewirken. Man vergleiche
dazu die 2. und 4. Verticalcolumne in Tabelle II miteinander. Die
Resultate von Dr. M. enthalten die Schwellenwerthe für Bitter von
einem Raucher; die Mittelwerthe aus den Versuchen mit Al. sind
das Maß der Bitterempfindlichkeit bei einem Nichtraucher. Wenn
der Unterschied der absoluten Reizschwellen an der Zungenbasis
zwischen Dr. M. und Al. nur 0,00003 beträgt, so wächst die absolute