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D. P. Hänig.
so wird uns auf fallen, dass die ersteren annähernd die Mitte bilden
zwischen der größten und kleinsten qualitativ gleichen Reizschwelle
an der Zungenumrandung. Diese Einzelbeobachtungen lassen sich
somit in den allgemeinen Satz zusammenfassen: Die Perceptionsfähig-
keit der Medialregion des weichen Daumens und des Velum liegt
für alle vier Geschmacksqualitäten ungefähr in der Mitte der qualitativ
entsprechenden maximalen und minimalen Sensibilität der Zungen¬
peripherie.
1. Schwellenermittelung für Süß.
Aus Tabelle I ist ohne weitere Interpretation ersichtlich, dass die
gesteigertste Perception für Süß an der Zungenspitze und in den
nach rechts und links unmittelbar sich anschließenden Gebieten hegt.
Wenn diese Thatsache in dem kurzen Satze ihren Ausdruck findet:
»Süß wird an der Zungenspitze am intensivsten empfunden«, so ist
die Bezeichnung Zungenspitze eben in dem erweiterten Sinne zu ver¬
stehen. In der engsten Bedeutung des Wortes scheint die Spitze
ganz hervorragend für Tasteindrücke adaptirt zu sein, hier ist ja auch,
wie wir seit Weber1) wissen, die Raumschwelle des Tastsinnes am
kleinsten. Gehen wir von der Spitze aus an den Rändern hin, so
lässt die Perceptionsfähigkeit für Süß beständig nach, im hinteren
Randdrittel erhält sie sich beiderseitig eine Strecke hindurch an¬
nähernd auf gleicher Höhe, sie sinkt aber ganz merklich wieder auf
den Pap. vall. und ihrer linearen Verbindung. Würde man die
soeben markirte periphere Umgrenzung der Geschmacksfläche der
Zunge als Abscisse auffassen und in allen durchgeprüften Rand¬
punkten, wie sie in der Tabelle bezeichnet sind, die absoluten Reiz¬
schwellen in ihrer reciproken Umdeutung als Ordinaten errichten, so
würde die Perceptionsfähigkeit des Zungenrandes für Süß in einer
Curve veranschaulicht werden, deren Maximum an der Zungenspitze
läge, nach beiden Seiten zu würde sie anfangs stetig fallen, dann
eine Strecke parallel zur Abscisse verlaufen und über den Pap. vall.
ihr Minimum aufweisen (Eig. 5 -o-o-o-o-«). Für die innere Grenze
(Fig. 1, A', B', C etc.) würde die Intensitätscurve ein ganz analoges
Bild ergeben, nur nicht mit so großen Ordinatendifferenzen, verhalten
1) Wundt, Physiol. Psychologie, 4. Auf!., II, S. 6—8.