Zur Psychophysik des Geschmackssinnes.
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schwankt die Schärfe der Auffassung nicht nur individuell weit
mehr als am Zungenrande, sondern auch die unter gleichen Be¬
dingungen vorgenommenen Versuchsreihen bei einem und demselben
Reagenten lassen die gewünschte Oonstanz vermissen. Die mittlere
Variation ist an der Innenseite der perceptionsfähigen Zone auf¬
fallend groß.
Alle die auf dem dargestellten Wege erlangten Schwellenwerthe
habe ich in Tabellen gesammelt, die aber nur unter Bezugnahme auf
das Protocollscliema Fig. 1 zu verstehen sind. Die Zahlen enthalten
das arithmetische Mittel aus fünf möglichst einwandfreien Experimen¬
ten für jeden normirten Punkt. Aus einem Vergleiche der verticalen
Rubriken kann man die persönlichen Unterschiede in der Auffassung
der Geschmacksreize ahlesen. Für die Perceptionsfähigkeit des Ge¬
schmacksgürtels an den verschiedenen Punkten seiner Breitenausdeh¬
nung ist es mir nicht gelungen, an jedem Reagenten eine gleichgroße
Zahl von sauber isolirten Resultaten zu gewinnen. Die Zunge ist
ja gerade hier stark gewölbt, in Folge dessen läuft die Schmeck¬
substanz ungemein leicht in die Breite, und die Reizung geht vielmals
an einer anderen Stelle vor sich, als da, wo sie beabsichtigt war.
Trotzdem enthalten meine Versuchsprotocolle eine ganze Anzahl Er¬
gebnisse, hei welchen derartige Zweifel ausgeschlossen waren, sie
haben auch das abschließende Urtheil über die räumliche Vertheilung
der Geschmackssensibilität der Zunge mit beeinflusst, darum werde
ich sie am geeigneten Orte der Abhandlung mit einschalten; nur
lassen sich diese Resultate nicht schematisiren wie die übrigen, man
müsste ihnen denn Gewalt anthun. Durch öftere Ooincidenz der an
einzelnen Versuchstagen doch nur theilweise ausgefüllten Protocoll-
schemata des nämlichen Reagenten innerhalb jeder Qualität controlirt
der Versuchsleiter am besten, welche Schmeckpunkte etwa vernach¬
lässigt worden sind und darum in der Folge mehr berücksichtigt
werden müssen. Erwies sich somit die Form der Protocollführung
äußerst zweckmäßig für die Ebenmäßigkeit in der Versuchsführung,
so erleichterte sie auch die erstrebte anschauliche, bildmäßige Dar¬
stellung der Perceptionsfähigkeit der Zungenoberfläche. Dabei handelt
es sich darum, den arithmetischen Ausdruck der Geschmackstüchtig¬
keit in ein Raumbild umzuwandeln. Zu diesem Zwecke entwarf ich
auf carrirtem Papier ein analoges Zungenbild wie in Fig. 1, aber mit
Wundt, Thilos. Studien. XVII. 39