Volltext: Zur Psychophysik des Geschmackssinnes (17)

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D. P. Hänig. 
des Gehörs- und Gesichtssinnes durch die Physik umfassende Vor¬ 
arbeit und stete Förderung erfahren hat, so darf vielleicht die Psycho¬ 
logie des Geschmackssinnes erst noch auf eine gleichwerthige Unter¬ 
stützung durch die Chemie hoffen. Aber die Chemie würde sicher 
die Grenzen, die ihr durch den einseitigen Standpunkt naturwissen¬ 
schaftlicher Betrachtungsweise gezogen sind, überschreiten, wenn sie 
von sich aus die Thatsachen der unmittelbaren Erfahrung innerhalb 
des Geschmackssinnes erklären wollte. Als Chemiker schließt Stern¬ 
berg seine Analyse der Schmecksubstanzen mit dem theoretischen 
Satze, dass der Geschmack eine hervorragend constitutive Eigenschaft 
der Verbindungen sei, als Psycholog würde er in Verlegenheit ge- 
rathen, wenn er aus dieser These z. B. die Erscheinungen des Con¬ 
trastes ableiten sollte. Die Sternberg’schen Untersuchungen er¬ 
strecken sich bis jetzt nur auf die Qualitäten Süß und Bitter; zwischen 
diesen beiden ist nun gerade ein gesetzmäßiges Contrastverhältniss, 
soweit ich die einschlägige Literatur übersehen kann, nicht behauptet 
worden, sondern nur als individuelles Vorkommniss*), aber die Be¬ 
gründung, dass der Contrast deshalb bezweifelt werden dürfte, weil 
das Molecül der süß schmeckenden Verbindungen nicht grundver¬ 
schieden von dem der bitter schmeckenden ist, muss der Psycholog als 
Erklärungsprincip entschieden abweisen. 
Viertes Capitel. 
Die Intensität der Geschmacksempfindungen. 
Bei der experimentellen Untersuchung des Geschmackssinnes wird 
der Psycholog unwillkürlich versucht sein, beständig hinüberzublicken 
auf die wissenschaftliche Behandlung des Gesichtssinnes. Schon der 
chemische Charakter in der Transformation der äußeren Beize inner¬ 
halb beider Sinne lässt im voraus ein solches Beginnen begreiflich 
erscheinen; dieser Uebereinstimmung ist es wohl zum Theil auch zu¬ 
zuschreiben, dass aus dem wissenschaftlich ungleich mehr geförderten 
Sinnesgebiete eine fast parallele Problemstellung in die Psychophysik 
des Geschmackssinnes Eingang gefunden hat. Es sei hier nur daran 
bitter schmeckenden Substanzen und ihrer Eigenschaft zu schmecken. Archiv f- 
Physiol, u. Anatomie, physiol. Abth., 1898, S. 451—483. 
1) Kiesow, Philos. Studien, X, S. 561.
	        
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