Ueber binaurales Hören.
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rechten noch mit dem linken Ohre allein gehört wird, beim gleich¬
zeitigen Hören mit beiden Ohren wahrnehmbar erscheinen kann,
pur diese Erscheinung seien zwei Erklärungen möglich. Die eine
bestehe in der Annahme der peripheren Reizsummirung durch die
Knochenleitung, die andere in der Annahme einer Steigerung der
centralen Perceptionsfähigkeit. Die Möglichkeit einer Knochenleitung
auch schwacher Schallwellen von der einen auf die andere Kopfseite
gibt nun zwar Urbantschitsch zu, beruft sich aber auf frühere Ver¬
suche1), bei denen er das Besserhören bei binauraler Schallzuleitung
mit Sicherheit auf eine Erhöhung der centralen akustischen Erreg¬
barkeit zurückgeführt zu haben glaubt. In diesem Sinne deutet er
auch seine Beobachtung, dass man bei binauralem Hören keine Zu¬
nahme der Hörfähigkeit findet, wenn bei bedeutender Verschieden¬
heit der Ohren hinsichtlich der Hörfähigkeit dem einen ein Ton zu¬
geleitet wird, dessen Intensität nahe der Empfindungsschwelle des¬
selben liegt, während auf der anderen Seite derselbe Ton zugeleitet
wird, der noch weit von der Schwelle entfernt ist. »"Wenn man in
einem solchen Falle die Schallleitung zu dem besser hörenden Ohre
abschwächt, sei es durch Schallleitungshindernisse, die man in den
Hörschlauch einlegt, oder durch Belastung der Labyrinthfenster mit¬
telst Glycerinbäuschchen oder durch Tamponirung des Gehörgangs
und auf diese Weise den Gehörunterschied auf beiden Ohren ziem¬
lich ausgleicht, so tritt nunmehr hei dieser Versuchsanordnung das
bessere Gehör bei diotischer Schallzuleitung wieder auffällig hervor.
Da also in diesem Falle bei bedeutender Verschiedenheit der Hör¬
fähigkeit beider Ohren kein verstärktes Gehör bei der diotischen
Prüfung im Vergleiche mit der monotischen Schallzuleitung statt¬
findet, dagegen aber wohl bei Herstellung ziemlich gleicher Hör¬
verhältnisse, so ist daraus, meiner Ansicht nach, wohl der Schluss
gestattet, dass die Gehörszunahme beim diotischen Hören einer er¬
höhten akustischen Perceptionsfähigkeit zugeschrieben werden könne,
(he dadurch zu Stande kommt, dass die Erregung der Hörfunction
fier einen Seite die akustischen Centren der anderen Seite zu einer
erhöhten Thätigkeit anregte.«
Beim diotischen Hören findet sich aber nicht nur eine quantitative
1) Urbantschitsch, Pflüger’s Archiv, XXXI, S. 280.