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Gino Melati.
mit dem des monauralen Hörens. Er gibt jedoch zu, dass diese Ver
Stärkung in umgekehrtem Yerhältniss zu dem Intervall zwischen
den zwei Tönen stehe, so dass, wenn die Zahl der Vibrationen
435—586,66 ist, man kaum mehr von einem wirklichen Zuwachs an
Intensität sprechen könne.
Wir haben nun in der That beobachtet, dass, wenn die Töne
eine Differenz von wenigen Vibrationen haben, ein leichter Zuwachs
an Intensität besteht. Dieser ist aber absolut ausgeschlossen bei den
Intervallen, in welchen die Differenz der Schwingungen größer als 10
in der Secunde ist. Die zwei Töne, in dem Maße wie ihre Höhen¬
differenz sich vergrößert, verstärken sich nicht nur nicht, sondern
man hat die Neigung, sie ein wenig schwacher zu beurtheilen als
im monotischen Hören, und sie erscheinen dem Beobachter immer
weiter getrennt, der eine vom andern losgelöst. Die Verschmelzung
der Töne, welche Stumpf erwähnt, und welche von diesem Gelehrten
wie eins der Phänomene festgehalten wird, die sich unverändert
im binauralen Gehör erhalten, nimmt im Gegentheil nach meinen
Beobachtungen stufenweise ab. Die Beobachter nahmen die mit
einem einzigen Ohr gehörten Intervalle wie eine wirkliche Einheit
wahr, und es war eine Arbeit von willkürlicher Analyse nöthig,
um den einen Ton vom anderen zu unterscheiden; binaural dagegen
erschienen die Töne für sich selbst, d. h. einer unabhängig vom
anderen, und die Schwebungen erschienen gewissermaßen außerhalb
der Töne selbst, localisirt an verschiedenen Orten. An dieser Tren¬
nung der zwei Töne, im Gegensatz zu jener Verschmelzung, von
welcher Stumpf spricht, lassen meine Beobachtungen keinen Zweifel.
Dabei schien es, dass die Töne beinahe ein Intervall bildeten; und
wenn die Aufmerksamkeit des Beobachters nicht auf die Schwe¬
bungen gerichtet war, sondern ausschließlich auf die zwei Töne selbst,
so bemerkte man ein beständiges Alterniren der Wahrnehmung
des einen und des anderen Tones. Wenn dagegen, wie gewöhn¬
lich, die Aufmerksamkeit auf die Schwebungen gerichtet war, so war
der allgemeine Eindruck eine deutliche Vorstellung der zwei
Töne, die nicht in dem betreffenden Ohr, sondern mehr
nach innen, in den Seitentheilen des Kopfes, localisirt er
schienen, während die Schwebungen sehr schwach empfuD
den wurden und zuweilen aussetzten: sie erhoben sich übe