Ueber binaurales Hören.
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Grabein gegeneinander verstimmt und die Schwebungen beobachtet,
und eine Vergleichung derselben im binauralen und monauralen
gören durchgeführt. Begonnen wurde mit den langsamen Schwebun¬
gen, von 2 bis zu 15 Schwebungen in der Secunde. Bei dieser
Tonstärke waren die binauralen Schwebungen außerordentlich viel
schwieriger zu hören, wie die monauralen, das sprach sich darin aus,
dass die zuverlässige Constatirung und das Zählen derselben beim
binauralen Hören sehr viel längere Zeit in Anspruch nahm, als im
monauralen, und das galt nicht nur für die weniger geübten Ver¬
suchspersonen, sondern machte sich so ziemlich in demselben Maße
auch bei den geeignetsten Beagenten bemerkbar. Da es durchaus
wünschenswerth schien, in die Constanz und Sicherheit des Urtheils
einen Einblick zu gewinnen, wurden diese Versuche mit denselben
Intervallen sehr häufig wiederholt.
Wir wollen die vielen unsicheren Ergebnisse, die mit wenig ge¬
eigneten Versuchspersonen in umfangreichen und zeitraubenden Ver¬
suchen gewonnen wurden, übergehen und können dann unsere Er¬
gebnisse, welche sich im wesentlichen auf die Vergleichung der
monauralen und binauralen Schwebungen beziehen, in folgender Weise
zusammenfassen: das wichtigste und charakteristischste Merkmal des
Gesammteindruckes liegt darin, dass die Töne heim binauralen Hören
auch hei sehr geringen Intervallen, selbst wenn sie beinahe unisono
erklingen, getrennt erscheinen, wie im monotischen Hören. Dies soll
natürlich nicht heißen, dass in diesem Falle der absolute Werth des
Intervalles verändert werde, der bleibt selbstverständlich derselbe,
sondern nur, dass namentlich bei geringen Unterschieden in der
Schwingungszahl das Urtheil in qualitativer Hinsicht psychologisch
sicherer, subjectiv evidenter ist.
Lässt man die Schwebungen monaural percipiren, so sind sie mit
den Tönen selbst verbunden, man hört sozusagen' die Stöße in einer
durch die zwei Primärtöne bestimmten Tonlage. Lässt man die¬
selben Schwebungen binaural percipiren, so ist der Eindruck ein ganz
anderer. Man hat nämlich zugleich die Empfindung der beiden
Töne, die nicht in das äußere Hörfeld des Ohres der entsprechenden
Seite, etwa im Ohre oder in der Schläfengegend, sondern in un¬
bestimmter, nicht näher angebharer Weise im Inneren des Schädels
localisirt werden, und daneben die Empfindung der Schwebungen,