Ueber binaurales Hören.
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beobachten. Dabei habe ich dann gefunden — und gleichzeitig mit
mir fanden dasselbe andere Beobachter —, dass ganz allgemein ein
sehr leiser Ton, auch wenn er durch längere Zeit wahrgenommen
wird, nicht direct im Ohre localisirt, sondern ins Innere des Kopfes
verlegt wird, auch wenn man nicht in der von Schäfer angegebenen
Weise das Ohr schließt, auf das der Ton nicht einwirkt. Diese Ver¬
legung des Tones ins Innere des Kopfes wird noch deutlicher, wenn
wir unsere Aufmerksamkeit ausschließlich auf den Ton richten und
ihn nicht, wie wir es unwillkürlich zu thun pflegen, der Gewohnheit
gemäß nach außen verlegen. Das Schließen des anderen Ohres
störte an den ersten Tagen, und namentlich in den ersten Augen¬
blicken des Hörens, sogar die Beobachtung der Erscheinung, so dass
es schien, als ob der Ton in diesem Falle einen anderen Charakter
habe, was zur Ursache von Täuschungen werden konnte. Aber
durch die Uebung lassen sich solche Täuschungen allmählich aus¬
schließen; und wir gelangten so (namentlich Dr. Möbius und ich) zu
der Ueberzeugung, dass eine Verstärkung der Intensität des Tones
überhaupt nicht stattfindet und ebenso wenig eine Veränderung in
der Localisation. Einen indirecten Beweis hierfür glaube ich noch
in einer anderen Beobachtung gefunden zu haben: Es kam verschie¬
dene Male vor, dass der eine der beiden sehr leisen Töne, die voll¬
kommen unisono oder fast unisono gestimmt waren und von denen
der eine dem einen und der andere dem anderen Ohre zugeleitet
wurde, unterbrochen wurde ; der Beobachter wurde dann nicht augen¬
blicklich gewahr oder er konnte nicht sofort angeben, welcher der
beiden Töne in Wegfall gekommen sei, sondern er versuchte dies —
fast unwillkürlich — dadurch festzustellen, dass er erst die eine und
dann die andere Bohre hinwegschob, durch welche ihm der Ton zu¬
geleitet wurde.
Scripture veröffentlichte 1892 eine kurze Mittheilung über Ver-
Suche, die er mit zwei Stimmgabeln von 293 und 297 Schwingungen
^gestellt und bei denen er beobachtet hatte, dass die binauralen
.webungen deutlicher seien, als die monauralen. Scripture hielt
eme Luftübertragung für ausgeschlossen, und er suchte den Beweis
Zu führen, dass auch die Knochenleitung ausgeschlossen sei1).
Philos. Stud. VII, S. 631.
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