Volltext: Der Fechner-Helmholtz‘sche Satz über negative Nachbilder und seine Analogien, Zweiter Theil (17)

Der Fechner-Helmholtz’sche Satz über negative Nachbilder u. s. Analogien. 411 
Was aber einer so allgemeinen Deutung der bisherigen Versuche 
n0cli im Wege steht, sind alle Einwände dagegen, dass die reagirende 
Farbe an dem Oomplemente der ursprünglich fixirten Farbe wirklich 
hinreichend unbetheiligt sei. Auch die Yo u n g - H e 1 m h o 11 z 'sehe und 
die Hering’sche Earbentheorie nehmen ja für die meisten Farben eine 
Betheiligung aller Grundfarben oder Urfarben an, so dass, abgesehen 
von der positiven complementären Wirkung, auch hier noch Erreg¬ 
barkeitsveränderungen gegenüber neuen Reizen im Sinne der Er¬ 
müdung und Erholung Vorkommen müssten. Der absolute Werth 
der hierbei auf anderen Farben gefundenen Nachbildwirkung, die 
dem F.-H.’sehen Satze folgt, ist indessen trotz einer unverkennbaren 
Abnahme immer noch viel zu groß, um bei solcher Entfernung der 
reagirenden Farbe von der ursprünglich fixirten Farbe und von 
ihrem Oomplemente in der Nähe einen Nullpunkt dieses Werthes 
erwarten zu lassen, wie es thatsäclilich der Fall sein müsste. Ein 
relatives Minimum hingegen wäre sehr leicht denkbar. Doch können 
hier nur Versuche mit Spectra Ifarben die Entscheidung bringen, in 
denen man uneingeschränkt variirbares homogenes Licht verwerthet. 
Dies wäre also der erste Punkt, für welchen ich eine Ergänzung 
in einer folgenden Arbeit in Aussicht stelle, nachdem sich wenigstens 
gewisse wahrscheinliche Gesichtspunkte einstweilen mit diesen ein¬ 
facheren Hülfsmitteln ergeben haben. Die hinreichend exacte Fest¬ 
es sieh aber auch hier eben nicht um »Beimischungen von positiven Erregungen«, 
sondern um proportionale Abänderungen der entsprechenden Processe nach Rich¬ 
tungen hin, die in der physiologischen Grundlage eben wegen ihrer Vielseitigkeit 
von vornherein ebenfalls gegeben sind. Um ein Beispiel aus einem ganz anderen 
Gebiet zu erwähnen, sind z. B. alle mit normaler Vielseitigkeit der Unter¬ 
scheidungsmöglichkeiten verbundenen persönlichen Abweichungen des Farben¬ 
sehens, die subjectiv verschiedenen Qualitäten der Complementärfarben u. dergl. 
solche Verschiebungen nach anderen benachbarten Farbentönen hin, wie sie einer 
einheitlichen, verschieden procentualen Verschiebung innerhalb der Farbenkreis¬ 
linie entsprechen, ohne dass hieraus irgend welche näheren Rückschlüsse auf eine 
Verwandtschaft des Wesens der Processe gezogen sein sollen. Die Annahme einer 
Einheitlichkeit des ganzen Farbensystems in seiner Reaction auf eine bestimmte 
Nachbild Wirkung würde insbesondere mit der Thatsache übereinstimmen, dass ein 
Nachbild einer Farbe neben Grau bezw. neben ihrer Complementärfarbe überhaupt 
durch Zumischung der ursprünglich dort fixirten Farbe vollständig compensirt 
werden kann, so dass nicht nur Gleichheit des Farbentones, sondern auch der 
Sättigung erreicht wird, also mit der Erscheinung, die schon in Cap. 1, I, 3, 
‘ ■325ff. ais eine besondere Thatsache hervorgehoben wurde.
	        
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