Zur Theorie der Combinationstöne.
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Helmholtz hat in der XI. Beilage seiner Tonlehre (21, 650)
die theoretische Möglichkeit angedeutet, dass eine Querfaser der Ba-
silarmemhran unter Bildung von Knotenpunkten und mit rasch viel
kleiner werdender Amplitude auch auf die multiplen Töne mitschwinge.
Br verweist dahei ausdrücklich auf die Riemann’sche Theorie der
Untertöne, betont jedoch zugleich, dass beim Erklingen eines Tones
seine harmonischen Untertöne thatsächlich nicht wahrzunehmen sind,
und erklärt das durch die geringe Amplitude dieser Schwingungen,
sowie vor allem durch die starke Dämpfung der Resonatoren, wodurch
die Bildung von Knotenlinien sehr erschwert werde. Die Riemann¬
sche Theorie ist später von Stumpf (32, 264) unter Widerlegung
der von Riemann angeführten physikalischen Analogien zurück¬
gewiesen worden. Aus meinen Versuchen ergibt sich mit Sicherheit,
dass die harmonischen Untertöne für die Empfindung nicht existiren;
sonst hätten sie hei den eindringlichen Analysen und der großen
Geübtheit der Beobachter unzweideutig müssen festgestellt werden.
Statt dessen traten die der Untertonreihe eines der Primärtöne an-
gehörigen Töne nie anders als im Zusammenklange auf und nur in
den Ausnahmefällen, wo Differenztöne mit ihrem theoretischen Werthe
zusammenfielen. Die von Stumpf gelegentlich zweifelnd geäußerte
Möglichkeit (32, 218), es könnten die entsprechenden Nervenerregun¬
gen unmerklich vorhanden sein, ist vorläufig nicht völlig zu wider¬
legen; aber sie wird unter anderem dadurch sehr unwahrscheinlich,
dass in diesem Falle wenigstens Schwebungen eines benachbarten
Differenztones häufig auch da zu erwarten wären, wo nach meinen
Untersuchungen keine Spur davon zu hören ist (Untertöne des hö¬
heren Primärtones!).
Ich würde die Untertontheorie völlig übergangen haben, hätte
nicht Meyer in einer Kritik der Ebbinghaus’schen Hypothese
(47, 13; 48, 37) sie auch in diesem Sinne verstanden, und Ebbing¬
haus in seiner Replik (53, 152) das unwidersprochen gelassen.
Wollte man mit Riemann die Differenztöne unmittelbar als Unter-
töne der Primärtöne auffassen, so gewänne man dadurch allenfalls
eine Erklärung einiger Differenztöne von consonanten Intervallen
(zusammenfallende und dadurch verstärkte Untertöne beider Primär-
^öne), um so räthselhafter blieben alle die Differenztöne, d. h. die