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Gotti. Fricdr. Lipps.
eingeführte Bezeichnungsweise in erweitertem Sinne anwende, einen
Oollectivgegenstand (C.G.). Als Exemplare des C.G. sind dann
alle denkbaren Unterlagen von A, die in ihrer Gesammtheit den Be-
griffsumfang von A bilden, aufzufassen. Die verschiedenen Modi-
ficationen A{, A± . . . An, in denen A auftreten kann, mögen die
Varianten* 1) von A genannt werden. Jeder Variante kommt ein
Wahrscheinlichkeitswerth zu, der das Verhältniss des Begriffs¬
umfanges der Variante zum Gesammtumfange des Begriffs von A
angibt; und da die Begriffsumfänge der Varianten zusammengenommen
den Begriffsumfang von A darstellen, so ist die Summe der Wahr-
scheinlichkeitswerthe aller Varianten stets gleich 1. Es ist sonach,
wenn die Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten von At, A, ... An
der Beihe nach durch p{, ... pn bezeichnet werden,
Pi + Pi +----1“ Pn — 1 •
Die Kenntniss der Varianten und ihrer Wahrscheinlichkeiten
kann, wie die bisherigen Erörterungen zeigen, auf deductivem und
auf inductivem Wege gewonnen werden. Sie ist durch Deduc¬
tion erreichbar, wenn zu dem vorhandenen Begriff von A die Er¬
kenntnis der Bedingungen gehört, unter denen A auf tritt, so dass
ein Ueberblick über den Begriffsumfang von A und dessen Zusam¬
mensetzung aus den Begriffsumfängen der Varianten gewonnen wer¬
den kann. Ist dies nicht der Fall, so muss die Kenntniss auf induc¬
tivem Wege, durch empirisches Erforschen des Begriffsumfanges von
A angestrebt werden. Wird zu diesem Zwecke der ganze Begriffs¬
umfang, oder, da dies im allgemeinen nicht ausführbar ist, ein dem
Gesammtumfange ähnlicher Theil (mag er direct oder auf Grund des
Bernoulli’schen Theorems bestimmbar sein) abgezählt und ergeben
Vertheilung auf die Begriffsumfänge von A,, A„ . . . An kommt aber bei der Wahr-
scheinlicbkeitsbestimmung an und für sich nicht in Betracht. Dass die Beschrän¬
kung auf zufällige Variation unwesentlich sei, bemerkt auch H. Bruns (zur Collectiv-
maßlehre, Philosophische Studien XIY. S. 346). Es ist indessen die Berücksich¬
tigung des Zufalls für die 'Wahrscheinlichkeitsrechnung überhaupt entbehrlich.
Die verschiedenen Arten, den Zufall zu begreifen, erörtert Windelband Die
Lehren vom Zufall, 1870).
1) Von G. Duncker (Die Methode der Variationsstatistik, Archiv für Ent¬
wicklungsmechanik der Organismen, VIII. S. 115) werden speciell die Einzel¬
formen, die innerhalb einer Thier- oder Pflanzenspecies zur Beobachtung gelangen,
Varianten genannt.