Die Theorie der Collectivgegenstände.
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b. Die deductive Bestimmung der Wahrscheinlichkeit.
Die Kenntniss dieses Bruchwerthes kann durch Deduction oder
Induction gewonnen werden, wonach man deductive und induc¬
tive Wahrscheinlichkeitserkenntniss1) zu unterscheiden hat.
Gehört zum Begriff von A die Einsicht, dass A entweder als
das mit B verbundene A' oder als das ohne B auftretende A" sich
darstellt, und sind außerdem die Begriffsumfänge von A sowohl wie
von Ä und A" bekannt, so dass eine exacte Bestimmung oder wenig¬
stens näherungsweise eine Abschätzung der Möglichkeiten für A' im
Vergleich zu den Möglichkeiten für A ausführbar ist, so gelangt man
auf deductivem Wege zur exacten oder angenäherten Kenntniss
der Wahrscheinlichkeit für die Verbindung von A und B. Die Be¬
ziehung zwischen A und dem gefundenen Wahrscheinlichkeitswerthe
gründet sich auf den Begriff von A und gehört zum logischen Be¬
reich von A.
Als Beispiel denke man sich eine Urne, in die weiße und schwarze
Kugeln gelegt sind. Dann wird der Denkgegenstand A durch jede
Kugel der Urne und insbesondere der mit B (der weißen Farbe) ver¬
bundene Denkgegenstand A' durch jede weiße Kugel und demnach
A" durch jede schwarze Kugel dargestellt. Die Begriffsumfänge von
A, A und A" werden ferner durch die Anzahlen aller Kugeln, der
weißen Kugeln und der schwarzen Kugeln bestimmt. Die Wahrschein¬
lichkeit oder relative Häufigkeit einer weißen Kugel in der Urne ist
somit bekannt, wenn die Anzahl der weißen und der schwarzen
1) Es ist unmittelbar klar, dass hier die in der Wahrscheinlichkeitsrechnung
sogenannten Wahrscheinlichkeiten a priori und a posteriori als deductiv erkannte
und inductiv erkannte Wahrscheinlichkeiten bezeichnet werden. — Für andere
Unterscheidungen, etwa für diejenige zwisi-hen objectiver und subjectiver Wahr¬
scheinlichkeit, die man bei A. Meyer Vorlesungen über Wahrscheinlichkeits¬
rechnung; deutsch von Czuber, 1879, S. 6; findet, besteht kein genügender Grund.
Denn jede Wahrscheinlichkeitsbestimmung ist, wenn sie einen Erkenntnisswerth
besitzen soll, nothwendig objectiv, sofern sie in der Natur des Objectes, das der
IVahrscheinlichkeitsbestimmung unterliegt, begründet sein muss; sie ist aber zu¬
gleich subjectiv, da sie stets »von dem Zustande unserer Kenntnisse« abhängt
(was a. a. 0. als charakteristisches Merkmal der subjectiven Wahrscheinlichkeit
hervorgehoben wird). Eine rein subjective Wahrscheinlichkeitsbestimmung, die ein
bloßes Meinen ohne objective Begründung zum Ausdruck brächte, wäre, wie
schon weiter oben bemerkt wurde, ohne Erkenntnisswerth.