Die Theorie der Collectivgegenstände.
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in dem hier vertretenen Sinne in Anspruch genommen werden darf,
sofern — wie Sigwart1) hervorhebt— »Aristoteles, wo er von In¬
duction redet, kaum jemals daran denkt, aus der Beobachtung von
Einzelfällen im eigentlichen Sinne einen allgemeinen Satz ahzuleiten.
Seine Beispiele beziehen sich meist auf die Speciesbegriffe, und er
fasst nicht Einzelthatsachen zu einem untersten Begriffe, sondern
speciellere Begriffe zu einem allgemeineren zusammen, beziehungs¬
weise specielle Hegeln zu einer allgemeinen«. Der Aristotelischen
Induction ist es somit nicht wesentlich, an die Unterlage der Denk¬
gegenstände anzuknüpfen; sie kann vielmehr auch in der Uehertragung
einer aus den specielleren Begriffen deductiv gewonnenen Erkennt¬
nis auf den allgemeinen Begriff bestehen. Man dürfte daher, wenn
man dies Verfahren als wirkliche und wahre Induction bezeichnen
wollte, nicht betonen, dass es Thatsachen sind, die der inductiven
Erkenntniss zu Grunde liegen, sondern man müsste z. B. auch den
Schluss, dass eine Eigenschaft, die vom spitzwinkligen, rechtwink¬
ligen und stumpfwinkligen Dreieck nachweisbar gilt, nun auch vom
allgemeinen Dreiecke gelte, als Induction anerkennen; dies würde
dazu führen, eine Zusammenfassung von Deductionen als Induction
zu bezeichnen. — Aber auch dann, wenn die vollständige Induction
von der Unterlage der Denkohjecte ausgeht, handelt es sich stets um
eine für den Begriff in seinem ganzen Umfange gültige Erkenntniss
oder um eine Begriffsergänzung. Denn sie beruht auf dem Grund¬
sätze, dass ein mit jeder Unterlage eines Denkgegenstandes verknüpftes
Merkmal dem Denkgegenstande seihst oder dem Begriffe des Denk¬
gegenstandes zugehöre.
Dies gilt nicht minder von der sogenannten unvollständigen In¬
duction. Sie hat zwar als Induction in dem hier vertretenen Sinne
zu gelten, da sie in der That an die Unterlage der Denkgegenstände
anknüpft. Dass aber wiederum nur eine für den ganzen Begriffs¬
umfang gültige Erkenntniss in Betracht kommt, geht schon aus der
üblichen, schematischen Darstellung des Inductionsschlusses hervor,
die beispielsweise B. Erdmann2) in folgender Form gibt:
1) Logik, II. S. 406.
2) Zur Theorie des Syllogismus und der Induction, Philosophische Aufsätze,
Ed. Zeller gewidmet, 1887, S. 207. — Die Beschränkung auf Begriffsergänzung
folgt auch aus der Regel, die Apelt (Theorie der Induction, 1854, S. 17) gibt:
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