Die geschichtliche Entwickelung des Bewegungsbegriffes.
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rechnungen des Sounenapex (d. h. des Zielpunktes der »absoluten
Translation« der Sonne) natürlich nicht die Gesammtheit aller Fixsterne,
aber auch nicht einmal immer dieselbe Sterngruppe, sondern vielmehr
sehr verschiedene Sterngruppen zu Grunde gelegt. Trotzdem hat sich
wesentlich immer derselbe Apex ergeben. Wie wäre das nun möglich,
wenn nicht gleichwohl eine wirkliche absolute Sonnenbewegung
gegen jenen Apex hin stattfände?
Hierauf lässt sich zweierlei erwiedern.
Erstens: So übertrieben groß ist die Uebereinstimmung der
Resultate denn doch nicht. Die von verschiedenen Astronomen auf
Grund verschiedener Sterngruppen (und unter Anwendung ver¬
schiedener Rechnungsmethoden) für die Rectascension des Apex
ermittelten Werthe schwanken zwischen 244° und 286°; ‘) die für die
Declination ermittelten Werthe schwanken zwischen +10° und
+ 53°.1 2) Das Schwankungsgebiet erstreckt sich also rund über 40°
Rectascension und 40° Declination, ein ganz beträchtliches Stück der
Himmelskugel.
Zweitens: Sollte man denn wirklich, um diese rechtmäßige
Uebereinstimmung der Resultate zu erklären, genöthigt sein, eine
ihrem Begriffe nach selbst unklar bleibende »absolute Bewegung«
der Sonne gegen jenen Apex hin zu supponiren? Sind nicht vielleicht
andere Erklärungen möglich, mit denen man eine klare Vorstellung
verbinden kann? Die Antwort lautet: Ja! In der That könnte man
jene Uebereinstimmung der Resultate z. B. sehr gut aus der Hypo¬
these erklären, dass rücksichtlich des ganzen Fixstern-
complexes die mittlere Bewegung der Sonne eine sehr
beträchtliche Geschwindigkeit besitzt im Vergleiche
mit den mittleren Bewegungen bei weitem der meisten
1) Arg el ander (1837) 1. Gruppe : 256° 25 ',1 + 12° 21',3.
Martini (1882) Zone I: 244° 47'.
Ranckén (1880): 285° 51'.
2) Lundahl (1840): + 14° 26',1 ± 4° 29',3.
Martini (1882) Zone III : + 13° 0'.
Id. Zone IV: + 52° 43'.
Vgl. H. Martini, Beitrag zur Frage der Eigenbewegung des Sonnensystemes.
Inauguraldissertation, Leipzig 1882.
Wundt, Philos. Studien. III.
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