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Ludwig Lange.
wegung wäre (s. o. S. 340) — nicht die Rede ist, so wird man schon von
vornherein diese Versuche der Inconsequenz zeihen müssen, und eine
einfache Folge dieser Inconsequenz ist es denn auch, wenn die Ver¬
teidiger der absoluten Bewegung um das offene Zugeständniss des ab¬
soluten Raumes bisweilen doch nur mit genauer Noth herumkommen
können. Was hat man z. B. unter der absoluten »Richtung einer
Linie in einem materiellen Systeme« zu verstehen, deren Constanz oder
Veränderlichkeit sich nach Maxwell (a.a.O. S. 95) erkennen lassen
soll —, wenn man keinen absoluten Raum zu Grunde legt ?
Durchweg eigenthümlich ist diesen Versuchen, dass sie nicht
eine absolute Bewegung im allgemeinsten Sinne, sondern nur eine
absolute Rotation anerkannt wissen wollen. Die früherhin von uns
erwiesene Thatsache, dass mit gleichem Rechte wie von einer abso¬
luten Rotation von einer absoluten Beschleunigung bei geradlini¬
gen Bewegungen geredet werden könnte (s. o. S. 663), wird nicht
etwa nur übersehen, sondern mehrfach geradezu geleugnet.1)
Von den Erörterungen über die Noth Wendigkeit der Annahme
absoluter Drehbewegungen dürfte allenfalls eine von Streintz
angestellte neues Interesse verdienen. Wie ich anderwärts 2j auseinan¬
dergesetzt habe, bezieht sich Streintz auf sogenannte »Fundamental¬
körper«, welche durch physikalische und zwar insbesondere durch
gyroskopische Beobachtungen als »nicht rotirend« erkannt worden
sein müssen. Mit Rücksicht auf Fundamentalkörper ist, so meint
Streintz, das Beharrungsgesetz auszusprechen und sind alle Dreh¬
bewegungen, soweit sie wirklich sein sollen, zu bemessen. Die Dreh¬
bewegungen, welche so erkannt werden, sollen nun nach Streintz
absolute sein, d. h. nicht etwa auf die »festen« Achsenrichtungen seiner
Gyroskope sich beziehen, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte.
Dies gehe daraus hervor, »dass die Drehung von der Wahl dieser Ap¬
parate sich ganz unabhängig ergibt. Alle Beobachter, welcher (gyrosko-
pischen) Compassé sie sich auch bedienen mögen, werden.....die¬
selben Resultate erhalten. Zwei Körper, von welchen ohne gegenseitige
Beziehung erkannt worden ist, dass sie Drehungen von gleicher Ge-
1) Z. B. Maxwell, a. a. O. S. 29. Streintz, a. a. O. S. 17.
2) Sitzungsberichte d. Kgl. Sachs. Gesellschaft, 1885. S. 348 f. »Philosophische
Studien«, Bd. II. S. 281.