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Die geschichtliche Entwickelung des Bewegungsbegriffes.
schleunigungen oder Drehungen gegen dasselbe abzuleiten, als ein
reales nach außen projiciren sollte. In den Fragen allerdings, zu deren
Vorbereitung jene Betrachtungen Zöllners dienen sollen, mag ein
realer absoluter Raum nöthig sein; in der mechanischen Er-
kenntniss aber ist er durchaus überflüssig, seine Annahme sogar nur
verdunkelnd, statt aufklärend.
2.
Um den N e w ton ’sehen realen absoluten Raum von der ihm an¬
haftenden Unfassbarkeit zu befreien, hat ihn C. Neumann1) gewis¬
sermaßen materialisirt, m. a. W. an Materie des Weltraumes in hy¬
pothetischer Weise angeknüpft. Ich habe diesen Vorschlag
bereits in früheren Arbeiten (s. o. S. 390) in Betracht gezogen. Die
Hypothese des concret-existirenden Körpers Alpha soll nach Neu¬
mann der Bewegungslehre in ähnlicher Weise zum Fundamente
dienen, wie die Hypothese des Lichtäthers der Optik oder die Hypo¬
these der elektrischen Fluida der Elektricitätslehre. Dabei soll, ge¬
mäß der herrschenden aufgeklärten Anschauung über das Wesen der
Hypothese, allen diesen Annahmen keineswegs ausgemachte Wahr¬
heit, ja nicht einmal ein angebbarer Grad der Wahrscheinlichkeit,
vielmehr nur das Verdienst zugeschrieben werden, dass wir auf Grund
ihrer große Classen von Erscheinungen aus wenigen allgemeinen
Principien zu deduciren vermögen. Endlich muss noch hervorgehoben
werden, dass Neumann auch auf der Hypothese concreter Mate¬
rialität des Körpers Alpha keineswegs mit absoluter Strenge besteht.
Statt des Körpers Alpha kann auch ein immaterielles System Alpha
angenommen werden, welches aber dann an gegebene concrete
Materie angeheftet gedacht wird und immerhin noch Gegenstand der
Hypothese bleibt: »So könnte z. B. das System Alpha constituirt
1) Ueber die Principien der Galilei-Newton’schen Theorie, Leipzig 1870;
vgl. zu Obigem besonders noch S. 21. 9 ff. 24 f. 26. 27. dieser 1869 gehaltenen An¬
trittsvorlesung. Dieselbe enthält seit Kants »Metaphysischen Anfangsgründen«
die ersten ausführlicheren Reflexionen über unser Thema, und verdient um so
größeres Interesse, als sie zu den meisten neueren Auslassungen über den Gegen¬
stand den Anstoß gegeben hat. Unter den Philosophen schließt sich, wie hier bei¬
läufig bemerkt werden mag, A. Riehl (Der philosophische Kriticismus, Bd. II.
Th. 1. Cap. II. S. 92ff.) ziemlich eng an Neumann an.