Volltext: Die geschichtliche Entwickelung des Bewegungsbegriffes und ihr voraussichtliches Endergebniss, Schluss (3)

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Ludwig Lange. 
wohl nothwendige Uebel, nicht aber willkommene Ergebnisse wissen¬ 
schaftlicher Forschung. Indessen gewöhnte man sich an das Operiren 
mit diesen Voraussetzungen ebenso bald und ebenso leicht, wie an den 
Gebrauch irgend welcher Hypothesen ; und in der Mechanik erstarrte 
Newtons Lehre von Raum und Zeit ebenso unvermeidlich, wie in der 
Optik seine Lehre vom Licht. Ganz vereinzelt waren bis vor kaum zwei 
Jahrzehnten Bestrebungen, welche das Problem von einer neuen Seite 
her in Angriff nahmen. Ja es kam so weit, dass man Newtons Dogma 
beihehielt und die Begründungsversuche ganz aus dem Gesichte 
verlor. Euler und Kant sind die Einzigen, welche in dem ganzen 
langen Zeiträume nennenswerthe Reflexionen über die Relativität oder 
Nichtrelativität der Bewegungen angestellt haben. Auf sie allein ha¬ 
ben wir daher näher einzugehen, während wir uns im übrigen damit 
begnügen können, an einigen Beispielen zu zeigen, in welcher Weise 
vom Anfänge des 18. Jahrhunderts an bis zur Gegenwart der N e w- 
ton’sche Lehrbegriff durch die große Mehrzahl der mechanischen 
Compendien sich fortgepflanzt hat. 
J. Hermann versucht in seiner 1716 erschienenen »Phoronomia 
sive de viribus et motibus corporum . . . libri duo« das Unmögliche, 
nämlich eine friedliche Vereinigung des Newton’schen und Carte¬ 
sian i s c h e n Bewegungsbegri flies ! 
»§ 1. Absolut bewegt heißen Körper, wenn ihre Berührung (!) mit 
den Theilen des allerseits unendlichen und unbeweglichen Raumes 
stetig sich ändert; und in der That besteht die Bewegung selbst in 
einer derartigen Veränderung der Nachbarschaft. § 2. Einem Körper 
benachbart sind diejenigen'Theile des unendlichen und unbeweglichen 
Raumes, welche ihn unmittelbar berühren und umgeben; und der 
Raum heißt unbeweglich, weil seine einzelnen Theile als beständig 
denselben Abstand und folglich dieselbe Lage gegeneinander bewah¬ 
rend gedacht werden; und weil man sich nicht vorstellen kann, dass 
der ganze doch allerseits ins Unendliche verlaufende Raum aus sich 
selbst hinausschweife und seine Lage verändere«. Diese Interpretation 
Newtons erinnert einigermaßen an die scholastischen Interpretatio¬ 
nen des Aristoteles! 
Die von Diderot redigirte »Encyclopédie« schließt sich (Article 
»Mouvement«) wesentlich an H ermanns Definition an, reproducirt 
jedoch, was nicht gerade häufig ist, Newtons eigene Experimente,
	        
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