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Alfred Köhler.
ein Autor von einer Beziehung zwischen Reiz und Empfindungs¬
schätzung oder von einer solchen zwischen Reiz und Empfindung
redet, so hebe ich ausdrücklich für das Folgende hervor, dass ich der
Kürze halber in der Regel den Ausdruck »Empfindung« statt »Empfin¬
dungsschätzung« gebrauchen werde, ausgenommen da natürlich, wo
diese Ausdrücke als Gegensätze Vorkommen.
I. Die fundamentalen psychophysischen Gesetze.
Hierher rechne ich die Formulirungen von Fechner, Wundt,
Delboeuf, Bernstein, Brentano und Plateau. Ehe ich zu
den einzelnen Gesetzen übergehe, wird es zweckmäßig sein, die ge¬
meinschaftliche Grundlage derselben einer summarischen Betrachtung
zu unterwerfen, soweit dies im Allgemeinen möglich ist ; wir werden
dann bei den einzelnen Gesetzen mehr oder weniger darauf zurückzu¬
kommen haben.
In der genannten Hinsicht sind es besonders zwei Punkte, die
eine Rolle spielen, einmal nämlich, wie es in der Natur meiner ganzen
Aufgabe liegt, das Weh er’sehe Gesetz, und ferner das sogenannte
Gesetz der Schwelle.
Wenden wir uns zunächst zu dem Weher’sehen Gesetz. Das¬
selbe lässt sich in folgender Form aussprechen:
Der Unterschied zweier Reize muss proportional den Reizgrößen
wachsen, wenn gleich merkliche Unterschiede der Empfindung ent¬
stehen sollen. Bezeichnet man die Größe des Reizes, welcher eine
Empfindung von der Stärke s auslöst, durch r ; den Zuwachs zum
Reiz, der nöthig ist, um eine eben merkbare oder überhaupt eine gleich
merkliche Aenderung Js der Empfindung hervorzurufen, durch Jr,
so drückt sich das Weher sehe Gesetz mathematisch so aus :
= Const., Js — const.,
wo natürlich Const, und const, von einander verschiedene Constanten
bedeuten.
Inwieweit das Gesetz mit den beobachteten Thatsachen im Ein¬
klang steht, ist Sache der Empirie. Die Autoren derjenigen psycho¬
physischen Gesetze, welche ich als fundamentale bezeichnet habe,
stützen sich auf das Weher’sche Gesetz in der vorstehenden mathe-