Volltext: Ueber die haupsächlichsten Versuche einer mathematischen Formulirung des psychophysischen Gesetzes von Weber (3)

604 
Alfred Köhler. 
4. Delboeuf’s Gesetz. 
Delboeuf hat nicht bloß eine mathematische Formulirung des 
Weber’schen Gesetzes gegeben; er verbindet vielmehr mit dem Ge¬ 
setz eine so eigenartige Auffassung, dass man sagen kann, er hat eine 
selbständige Theorie der Psychophysik entwickelt. Dabei haben sich 
im Laufe der Zeit die Ansichten Delboeuf’s zum Theil geändert; 
seine Lehre hat einige Modificationen erfahren und an Stelle der 
ursprünglichen mathematischen Formulirung des Gesetzes ist neuer¬ 
dings eine etwas andere getreten. Es wird daher gut sein, den Ent¬ 
wickelungsgang der Theorie zu verfolgen. Die in Betracht kom¬ 
menden Werke Delboeuf’s sind besonders folgende: 
1) Etude psychophysique. Bruxelles, 1873. 
2) Théorie générale de la sensibilité. Bruxelles, 1876. 
3) Examen critique de la loi psychophysique. Paris, 1883. 
Diese Werke mögen im Folgenden der Kürze halber einfach 
durch die vorstehenden Nummern bezeichnet -werden. 
Delboeuf beginnt in (1) damit, das Weber’sche und F ech- 
ner’sche Gesetz einer Kritik zu unterziehen; er bespricht dabei die 
Mängel und Schwierigkeiten, die das Gesetz namentlich bezüglich der 
Schwelle und der damit zusammenhängenden negativen Empfindun¬ 
gen aufweist. Die Vermeidung dieser Schwierigkeiten bildet für 
Delboeuf bei der Aufstellung seiner Formulirung des Gesetzes einen 
maßgebenden Gesichtspunkt. Als Ausgangspunkt für sein Gesetz 
dienen ihm folgende beiden Hauptbemerkungen (1. S. 27): 
1) Die Intensität der Empfindung hängt nicht allein ab von der 
Intensität des Reizes, sondern auch von der Menge (masse) der Em¬ 
pfindlichkeit (sensibilité) oder der Kraft (force), welche die bezüglichen 
Organe in dem Augenblick besitzen; der Vorrath an Empfindungs¬ 
vermögen wird durch die Einwirkung eines Reizes erschöpft, so dass 
für einen nachfolgenden Reiz das empfindliche Wesen eigentlich sich 
in anderen Bedingungen befindet. So ist z. B. die Empfindung der 
Kälte oder Wärme beim Beginn der Einwirkung des Reizes viel leb¬ 
hafter als nach einiger Zeit. 
2) Es existirt eine gewisse Quantität Kraft oder Empfindlichkeit, 
welche nicht verbraucht werden darf, weil sie von vom herein nöthig
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.