Ueber die hauptsächlichsten Versuche einer mathematischen Formulating etc. 5§3
stimmten Reiz eine bestimmte Empfindung entspricht; auch wenn
zwei Reize sich um weniger als die Unterschiedsschwelle unterschei-
scheiden, sagt man, dass sie Empfindungen von verschiedener Inten¬
sität auslösen ; der Reihe unendlich vieler Reizintensitäten zwischen
den Reizen r und r + Jr theilt man eine eben solche Reihe unend¬
lich vieler Empfindungsintensitäten zu, die ihnen entsprechen. Mit
anderen Worten: man sagt, die Empfindung wachse stetig mit dem
Reiz. Nicht ebenso ist es mit dem Merklichkeitsgrad der Empfindung.
So lange sich zwei Reize um weniger als die Unterschiedsschwelle
von einander unterscheiden, lösen sie Empfindungen aus, die für
unser Bewusstsein dieselbe Merklichkeit besitzen ; daher unterschei¬
den wir sie nicht von einander. Entspricht einem Reiz r der Merk¬
lichkeitsgrad m, so bleibt dieser für die ganze Reihe der Reizinten¬
sitäten zwischen r und r + dr derselbe, für den Reiz r + dr springt
derselbe plötzlich von m auf m + dm. Man kann also von der
Merklichkeit der Empfindung nicht ein eben solches stetiges Zu¬
nehmen mit wachsendem Reiz behaupten, wie wir es für die Em¬
pfindung selbst annehmen. Will man sich ein geometrisches Bild
von der Abhängigkeit der Empfindung resp. der Merklichkeit dersel¬
ben vom Reiz machen, so trage man auf einer Abscissenaxe von
einem bestimmten Anfangspunkt aus die Reizintensitäten ab und
stelle die zugehörigen Empfindungen resp. deren Merklichkeitsgrade
durch die entsprechenden Ordinaten dar. Die Endpunkte dieser Or-
dinaten bilden dann im ersten Fall eine stetige Curve, im zweiten
dagegen eine treppenförmige Figur, also eine unstetige Curve.
Macht man sich von dem gegenseitigen Verhalten von Empfin¬
dung und Merklichkeit derselben ein derartiges Bild, so bietet sich
von selbst als einfachste und natürlichste Annahme die, dass die Em¬
pfindung gleichzeitig mit dem Reiz gegen Null abnimmt, dass dagegen
die Empfindung erst eine gewisse Größe, die Empfindungsschwelle
übersteigen muss, bevor sie für unser Bewusstsein merkbar wird.
Hiernach würde für die Empfindung selbst keine Reizschwelle anzu¬
nehmen sein, wohl aber für die Apperception der Empfindung. Mit
dieser Ansicht würde freilich das Fechner’sche Gesetz als Empfin-
dungsgesetz nicht vereinbar sein, worauf ich gelegentlich zurückkom¬
men werde.
Wir wenden uns nun wieder zum obigen Einwand Langei's.