Untersuchungen über das Tongedächtniss.
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Tabelle IX gibt eine übersichtliche Darstellung der gesammten
Versuche bei 4, Tabelle X dergleichen bei 8 Schwingungen. Die
Zahlen sind auf 1000 als Einheit berechnet. Auf jedes Tongebiet
kommen drei horizontale und drei verticale Columnen. Die ersteren
enthalten das Verhältniss der objectiven Töne. Die letzteren zeigen,
wie die Töne geschätzt wurden. W. hat also z. B. im Gebiet A 1000
gleiche Töne 677mal richtig geschätzt; 140mal hielt er den zweiten
Ton für höher (o) und 183mal für tiefer [u) u. s. w. Die Anzahl der
Versuche bei jedem Tongebiet ist für jeden der Beobachter in der
obersten Horizontalreihe angegeben.
(Siehe Tabelle IX u. X S. 562 u. 563.)
Innerhalb der drei Octaven findet eine ziemlich große Zunahme
der Unterschiedsempfindlichkeit statt. Das Verhältniss der richtigen
zu den falschen Fällen wächst mit dem relativen Unterschied nicht
unbedeutend. Die größten Abweichungen von einem constanten Ver¬
lauf sind in den Gebieten D, E und F zu finden und scheinen haupt¬
sächlich von den ungleichen Tönen herzustammen, d. h. man schätzt
ungleiche Töne öfter gleich. Dieses Resultat darf als unerwartet
gelten, da man gerade diesem mittleren Tongebiete die größte Em¬
pfindlichkeit zuertheilt hat. So fand Prey er1), dass »die kleinste
überhaupt erkennbare Differenz von y3 Schwingung nur in der Ge¬
gend des a1 und c11 (512) sicher erkannt wird.« Als mögliche Ur¬
sache nennt derselbe die Uebereinstimmung dieses Gebietes mit der
Höhe der menschlichen Stimme. Unsere Tabellenzeigen, dass von
C bis F die Empfindlichkeit für diese Töne annähernd constant ist ;
dieselbe aber ist viel geringer als für tiefere Töne. Diese Constanz ist
vielleicht dadurch erklärlich, dass wir an diese Höhe mehr gewöhnt
sind. Da aber die von mir angewandte Methode zur Aufstellung von
Gesetzen über diese Frage nicht geeignet ist, so genüge es darauf
aufmerksam zu machen, dass das Tongedächtniss nicht allzu langsam
mit der Tonhöhe abnimmt. In dieser Beziehung stimmen die sieben
Beobachter überein. Die Zeit zwischen den beiden zu vergleichenden
Tönen übt keinen großen Einfluss aus. Der Unterschied von 4 Schwin¬
gungen im Gebiet L scheint uns auch unmittelbar größer zu sein als
im Gebiet A.
1) Ueber die Grenzen der Tonwahrnehmungen S. 33.
Wnndt, Philos. Studien. III.
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