Untersuchungen über das Tongediichtniss.
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samkeit ist passiv geworden, oder durch andere Gegenstände abge¬
zogen. Jedoch dürfen wir bei diesen Versuchen annehmen, dass man,
wenigstens in den meisten Fällen, einen gewissen Grad /willkürlicher
Aufmerksamkeit anwendet, um die Erinnerungsbilder zu bewahren.
Die Anstrengung, mit welcher wir die Erinnerung unterstützen, wird
daher ein Hauptfactor des Vergleichungsprocesses sein, und es wer¬
den demgemäß auch die beobachteten zeitlichen Schwankungen wohl
auf Schwankungen in der Spannung der Aufmerksamkeit zurückzu¬
führen sein.
Dass wir nicht im Stande sind, einen Gegenstand Stunden lang
gleichmäßig zu betrachten, ist bekannt, und es ist daher begreiflich,
dass uns »vielleicht keine einzige Reproduction das früher Erlebte
ohne jede Veränderung«liefert (Wundt, Phys. Psych. II S.320). »Ich
bin, sagt Fechner, nicht im Stande, selbst das geläufigste Erinne¬
rungsbild auch nur kurze Zeit stetig festzuhalten, sondern muss es,
um es länger zu betrachten, immer von Neuem wiedererzeugen.«
(Fechner, Psychophysik II S. 471.) »Beim Versuche, Erinnerungs¬
bilder festzuhalten, entschwinden sie periodisch, oder wie ich mich
lieber ausdrücken möchte, werden periodisch zu einem bloßen Ge¬
dankendinge.« (Fechner, Psychophysik II S.479, von A. W. Volk¬
mann redend.) Fechner spricht hier zwar von Gesichtsvorstellun¬
gen. Meine Versuche und Beobachtungen scheinen nun aber einen
ähnlichen Fall beim Gehörssinn zu constatiren.
Natürlich wird man nicht behaupten, diese periodischen Verän¬
derungen der Klarheit erfolgten immer nach dem nämlichen zeitlichen
Gesetze. Höchstens wird man eine Tendenz zum Anwachsen und
Sinken der Deutlichkeit der Erinnerungsbilder annehmen dürfen,
wobei diese Phasen durchschnittlich hei derselben
Person und hei der gleichen Anstrengung der Aufmerk¬
samkeit annähernd constant sind. Ist nun unsere Voraus¬
setzung stichhaltig, dass die Klarheit der Erinnerung von der Auf¬
merksamkeit abhängig ist, so werden wir zu der Annahme gezwungen,
die Aufmerksamkeit selbst sei von einem periodischen Gesetze be¬
herrscht.
Man könnte versucht sein, die Erscheinung durch Ermüdung er¬
klären zu wollen. Es könnte sich aber natürlich in diesem Falle nicht
etwa um eine Ermüdung des Sinnesorgans handeln, da das Bewusst-