Volltext: Der Entwickelungsgang der Leibniz‘schen Monadenlehre bis 1695 (Schluss) (3)

Der Entwickelungsgang der Leibniz’schen Monadenlehre bis 1695. 443 
Causalität der Naturvorgänge auszuschließen, von allen physikalischen 
und chemischen Eigenschaften der Körper, und versuchte er sogar die 
Cohärenz als ein Product von Bewegungsvorgängen zu erklären, so 
musste er doch mit Descartes die Ausdehnung als eine primäre, zum 
Wesen des materiellen Substrats gehörende Eigenschaft gelten lassen. 
Aber diese Bestimmung des Körperbegriffs widersprach nicht nur der 
Möglichkeit der praesentia realis des corpus Christi beim Abendmahl, 
_auch dynamische Studien hatten Leibniz, insofern sie ihn zu der 
Erkenntniss brachten, dass aus der bloßen Ausdehnung und den Orts¬ 
veränderungen des Ausgedehnten die Thatsachen der Physik nicht er¬ 
klärtwerden könnten, zum Aufgeben seines ursprünglichen Standpunk¬ 
tes in der Physik veranlasst. Indem er nun aber, wie bereits bemerkt, 
durch Aufstellung seines Kraftbegriffes in causaler Hinsicht zu einer 
immanenten und spontanen Naturauffassung zurückkehrte, kehrten 
ihm hierbei auch die alten Probleme der speculativen Theologie und 
Metaphysik wieder, nämlich die Fragen nach der Wirksamkeit Gottes 
und seines Verhältnisses zur Welt u. s. w. Und diese Probleme hatten 
für ihn durch die inzwischen kennen gelernte Philosophie Spinoza’s 
und Malebranche’s nur noch eine verschärftere Bedeutung gewonnen. 
Der Begriff der Substanz war bei Descartes und Spinoza vornehm¬ 
lich durch das Merkmal causaler Selbständigkeit und Selbstgenüg¬ 
samkeit gekennzeichnet worden. Zu einer anderen ontologischen Be¬ 
stimmung des Substanzbegriffes konnte auch Leibniz, nachdem er in 
der Activität das wesentliche Merkmal des Substantiellen gefunden 
hatte, nicht gelangen. Der Begriff Kraft ist zwar umfassend genug, 
um die empirische Verschiedenheit percipirender und bloß activer 
Substanz einzuschließen; durch die Position desselben war in der 
That der cartesianische Dualismus leicht zu überwinden. Aber auch 
der reale Gegensatz von Gott und Welt ist durch diesen Begriff auf¬ 
gehoben, wenn die causale Immanenz der Dinge nicht im Principe 
eingeschränkt, oder wenn ihre Substantialität nicht im Sinne Spinoza’s 
und ihre Selbstthätigkeit im Sinne Malebranche’s preisgegeben werden 
s°ll. Leibniz entscheidet sich für das erstere. Er versucht die imma¬ 
nente Activität der Einzelsubstanzen durch ihre Individualität einzu¬ 
schränken. So nimmt er von der Verträglichkeit der realen Substan- 
tialität (in dem cartesianisch-spinozistisch strengen Sinne dieses Be¬ 
griffes) und Spontaneität der Dinge mit der Wirksamkeit Gottes bei
	        
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