Volltext: Die geschichtliche Entwickelung des Bewegungsbegriffes und ihr voraussichtliches Endergebniss (3)

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Ludwig Lange. 
dem Ausdrucke eines Sachverhaltes gewiss stets der denkbar zweck 
mäßigsten Conventionen bedienen, ohne aber darum die anderen mög¬ 
lichen Conventionen für unrichtig zu halten. Wesentlich andern 
steht die Sache bei wirklichen Hypothesen. Huygens scheint das 
Conventionelle der Bezugnahme viel klarer erkannt zu haben. 
Aus der Fortsetzung der soeben angeführten Stelle erfahren wir 
nun auch, warum Leibniz von Newtons Ansicht über die Kreisbe¬ 
wegung Nichts wissen will. Er meint, die Kreisbewegung könne als 
Zusammensetzung geradliniger Bewegungen sich nicht anders verhal¬ 
ten als die geradlinige Bewegung, deren Beciprocität Newton zuge¬ 
stehe. Er missversteht seinen Gegner hier. Newton gesteht keines¬ 
wegs die Beciprocität der geradlinigen Bewegung zu, und insbesondere 
hätte er nur nöthig gehabt auseinander zu setzen und experimentell 
zu erläutern, wie es mit der ungleichförmig-geradlinigen Bewegung 
nicht anders als mit der krummlinigen steht ; dann wäre jener Ein¬ 
wurf ganz hinfällig geworden. 
Sehr merkwürdig ist es zu sehen, dass Leibniz in seinem Brief¬ 
wechsel mit Clarke (1716) wieder vollständig zu dem Standpunkte 
zurückkehrt, von welchem er seiner Zeit ausgegangen und zu Gunsten 
von Huygens ziemlich beträchtlich abgewichen war. Er macht dem 
Vertreter Newtons die Concession:1) »Ich gebe zu, dass zwischen 
einer absoluten wirklichen Bewegung eines Körpers und einer ein¬ 
fachen relativen Veränderung seiner Lage in Bezug auf einen anderen 
Körper ein Unterschied besteht. Denn wenn die unmittelbare Ver¬ 
änderungsursache in dem Körper liegt, ist er wirklich in Bewegung ; 
und alsdann wird sich die Lage der anderen in Bezug auf ihn infolge 
dessen ändern, wiewohl die Ursache dieser Veränderung gar nicht in 
ihnen liegt«. Wenn Clarke nun dem Gegner Newtons den Vor¬ 
wurf der Inconsequenz macht, weil er die Bewegung für etwas we¬ 
sentlich Absolutes halte und den Baum nicht, so geht er entschieden 
zu weit. Es liegt hier bei Leibniz wieder nur die gekünstelte Ver¬ 
schmelzung des Bewegungsbegriffes mit dem Kraftbegriffe vor, und so 
bedenklich dieselbe auch ist, so setzt sie doch keineswegs die Annahme 
eines absoluten Baumes voraus. 
Leibniz und Huygens sind keineswegs die einzigen bedeuten 
1) Opera philosophica ed. Erdmann, p. 770. 782.
	        
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