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Ludwig Lange.
mittheilte, und der mir geeignet schien, Frau Roma zur Erlaubnis
der Meinung des Copernicus zu überreden, habe ich mich daran an-
bequemt. Indessen, wenn Sie diese Meinungen über die Wirklichkeit
der Bewegung hegen, so denke ich mir, müssen Sie wohl über dig
Natur des Körpers Ansichten haben, welche von den gewöhnlichen
verschieden sind. Ich habe solche von recht eigenthümlicher Art, die
mir aber bewiesen scheinen«.
Mit diesem Briefe bricht die merkwürdige Corresponded über
den Gegenstand ab. Huygens starb bereits am 8. Juli 1695; viel¬
leicht trug er sich mit der Absicht, über den Unterschied zwischen
wahrer und scheinbarer Bewegung und über seine Berechtigung Etwas
zu veröffentlichen, und wurde nur durch den Tod daran gehindert.1)
In seiner Schrift »De motu corporum ex percussione« macht er von der
Relativität der geradlinigen Bewegung Gebrauch zur Ableitung der
Stoßgesetze, ohne jedoch auf die krummlinige Bewegung dabei ein¬
zugehen. In dem posthumen »Cosmotheoros« beruft er sich zur Bekräf¬
tigung der Copernicanischen Ansicht auf das Simplicitätsprincip,
wobei er zwar die conventionelle Seite desselben bevorzugt, aber durch¬
aus nicht auf die »simplicitas näturae« Verzicht leistet.2)
Wenn sich Leibniz in seinen Briefen mit einer gewissen Nach¬
giebigkeit dem Huygens’schen Standpunkte genähert hat, so ist er
darin fast noch weiter gegangen in einer späteren dynamischen Ab¬
handlung, dem zweiten Theile des »Specimen dynamicum«, dessen
erster Theil 1695 in den »Actis eruditorum« erschien. Hier heißt es,
nach einer ausführlichen Betrachtung über die phänomenale Aequi-
valenz der verschiedenen Hypothesen, welche jedesmal in Frage
kommen: »Indessen drücken wir uns, je nach Erfordemiss des einzel¬
nen Falles, im Sinne einer passenderen und einfacheren Erklärung
der Phänomene aus, ganz so, wie wenn wir in der sphärischen Astro¬
nomie die Bewegung des »primum mobile« anwenden und in der
Planetentheorie von der Copernicanischen Hypothese Gebrauch
machen müssen ; so dass doch nachgerade jene mit so viel Eifer ge¬
ll Es wäre wohl der Mühe werth, in den zu Leyden sorgfältig aufbewahrten
noch ungedruckten Manuseripten Huygens’ nachzusuchen, ob sich nicht he ^
kungen über diese Angelegenheiten darin finden. Vgl. Mädler, Geschichte
Himmelskunde, Bd. I. S. 314.
2) Opera varia, Lugd. Batav. 1724. p. 650 f.