Die geschichtliche Entwickelung des Bewegungshegriffes.
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Gebäude der Mechanik fest und sicher darauf stützen. Hingegen kann
der Auffassung der Bewegung als einer Lagenänderung zu gegebenen
oder gedachten Bezugsobjecten jener Vorwurf der Unverständlichkeit
nicht im geringsten gemacht werden; ja sie erscheint uns auf den
ersten Blick als so evident und unanfechtbar, dass wir geradezu mit
axiomatischer Gewissheit behaupten möchten: es gibt nur relative
Bewegung. Versucht man nun aber, diese Anschauung der Bewe¬
gungslehre zu Grunde zu legen, so verwickelt man sich in unlösbare
Widersprüche von der bedenklichsten Art. So erscheint denn eine
jede der drei Grundformen des Bewegungshegriffes für sich betrachtet
als unhaltbar, und die Folge davon ist, dass man, mehr unbewusst als
mit Bewusstsein, gewöhnlich da, wo die eine Form des Begriffes zu
versagen scheint, eine der anderen zur Hülfe ruft, ohne zu bedenken,
dass ein gleichzeitiger Gebrauch dieser verschiedenen einander wider¬
sprechenden Begriffsformen logisch nicht zu rechtfertigen ist. Auf eine
weitere Ausführung und eine ins Einzelne gehende Kritik dieser vor¬
läufigen Exposition brauche ich mich nicht einzulassen.
Der Zeitraum, worauf sich unsere historische Untersuchung aus¬
dehnt, fällt der Hauptsache nach mit demjenigen der neueren Wissen¬
schaft zusammen. In der That konnte erst seit der Copemicanischen
Reformation, erst mit der Begründung der Dynamik durch Galilei ein
allgemeineres und fruchtbares Interesse gerade für unsere Frage rege
werden. Dennoch ist der Einfluss der vorangegangenen Zeiten auf die
Neuzeit auch hier nicht gering zu achten, und es durfte daher eine Be¬
rührung der einschlagenden Verhältnisse in der alten und mittleren Phi¬
losophie nicht völlig umgangen werden. Und dies um so weniger, als
gewisse Beispiele aus der alten und mittleren Zeit Gelegenheit bieten
zu der Wahrnehmung, dass die behandelte Frage auch verhältniss-
mäßig frühen Zeiten nicht allzu fern lag. Ich will nicht unterlassen,
an dieser Stelle noch die Bemerkung zu machen, dass die historische
Rarstellung der folgenden Abschnitte keinerlei Anspruch auf absolute
^ ollständigkeit erhebt. Wenngleich das geschichtliche Material schon
unr seiner selbst willen nicht ohne Interesse sein dürfte, so wird es
hier doch vorwiegend als Mittel betrachtet, der Wahrheit näher zu