Volltext: Die geschichtliche Entwickelung des Bewegungsbegriffes und ihr voraussichtliches Endergebniss (3)

Die geschichtliche Entwickelung des Bewegungsbegriffes. 
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eigentlich nur da, wo ihm etwas darauf ankommt, eine aus anderen 
Gründen angenommene Meinung durchzusetzen. Seine Definitionen 
für beide Arten der Bewegung sind die folgenden. 
1) »Motus, ut vulgo sumitur« ist nichts Anderes, als die Thätig- 
keit, wodurch ein Körper aus einem Orte in einen anderen übergeht 
(II. 24). Von der Ortsveränderung ist also die Bewegung im vulgären 
Sinne in Etwas verschieden, sie ist nämlich die »Thätigkeit, 
durch welche« die Ortsveränderung zu Stande kommt. Da ein 
Körper gleichzeitig seinen Ort verändern und beibehalten kann, so 
folgt nach Descartes auch, dass er im vulgären Sinne gleichzei¬ 
tig sich bewegen und ruhen kann. Hierzu gibt Descartes das üb¬ 
liche Beispiel vom Schiffspassagier, der sich relativ zum Festlande be¬ 
wegt, aber darum noch nicht relativ zum Schiffe bewegt zu sein 
braucht. Mit diesem »vulgären« Bewegungsbegriffe hat sich aber 
Descartes nicht zufrieden gegeben, zum Theil, weil er einen Vor¬ 
gang, welcher, wie die Bewegung, so viele Erscheinungen bestimmt, 
nicht als etwas an sich Unbestimmtes betrachten mochte. Haupt¬ 
sächlich aber mag er von dem Gefühle geleitet worden sein, dass, falls 
er sich zu dem vulgären Begriffe bekennen würde, er gerade dadurch 
seiner eigenen Lehre vom Raume einen empfindlichen Stoß ver¬ 
setzen würde. Er lässt deshalb den vulgären Bewegungsbegriff nur in 
Gemäßheit seiner Ansicht vom berechtigten Unterschiede des prak¬ 
tischen und theoretischen Erkennens (I. 3) gelten. Der Wahrheit der 
Sache entspricht seiner Meinung nach vielmehr der andere Bewegungs- 
begriff, welchem er den folgenden Ausdruck gibt: 
2) »Motus ex rei veritate consideratus« ist die Uebertragung eines 
Theiles der Materie oder eines Körpers aus der Nachbarschaft der¬ 
jenigen Körper, welche jenen unmittelbar berühren und »wie ruhend 
betrachtet« werden, in die Nachbarschaft anderer Körper (II. 25). Zur 
Verwahrung gegen Missverständnisse wird noch hinzugefügt, dass 
hierbei die Uebertragung selbst und nicht die Kraft oder Thätigkeit 
gemeint ist, wodurch jene zuStande kommt. Uebrigens sei auch diese 
wirkliche oder »eigenthümliche« (proprie sumptus) Bewegung nichts 
selbständig Existirendes, sondern nur ein Modus des bewegten 
.Körpers. 
Da haben wir also wieder den echten Aristotelischen Begriff 
der Bewegung eines Körpers an sich (y.ccS' avro) in seiner fast un- 
25*
	        
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